Küsse im Mondschein
Fragte sich in Gedanken, wie weich und nachgiebig der Körper unter jener Seide wohl sein würde...
Er riss sich zusammen und löschte das Bild, das sich vor seinem geistigen Auge zu entfalten begonnen hatte, energisch aus seinem Bewusstsein.
Besser, er konzentrierte sich wieder auf die Realität und auf das Rätsel, das er da vor sich hatte.
Bisher hatte sie sich noch jedes Mal, wenn er erschienen war, ganz eindeutig gefreut, ihn zu sehen, war gewillt gewesen - ja sogar froh -, den Schutz, den er ihr anbot, anzunehmen. Dennoch hatte er bei ihr noch immer keinerlei Anzeichen dafür erkennen können, dass sie speziell an ihm interessiert war. Immerhin war sie beschützerische Männer gewohnt. Männer wie zum Beispiel ihre Cousins. Es bestand also durchaus die Möglichkeit - was für ein wenig erbaulicher Gedanke! -, dass sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Bereitwilligkeit auch den Schutz irgendeines anderen, ähnlich ritterlich veranlagten Gentlemans annehmen würde. Zwar fiel Martin so auf Anhieb kein anderer ein, von dem man den Eindruck haben könnte, als mache er ihr platonisch den Hof, aber denkbar war es. In der Tatsache, dass sie so offenkundigen Gefallen an seiner, Martins, Gesellschaft fand und diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit suchte, spiegelte sich vielleicht einfach nur eine natürliche Neigung zu jenem Typ von Mann wider, in dessen Nähe sie sich wohl fühlte.
Sie versuchte nicht, sich an ihn heranzupirschen. Nein, sie spukte bereits regelrecht in seinem Kopf herum, ließ ihn nicht mehr los, und das war eine vollkommen neue Erfahrung für ihn, denn er wusste nicht, ob dies nun alles zu Amandas Plan gehörte oder bloß Zufall war.
Das, so entschied Martin, war die Streitfrage, mit der er sich auseinandersetzen musste - der entscheidende Punkt, den es dringend zu klären galt.
Er stieß sich von der Wand ab. Leopold hatte Amanda nun wirklich lange genug mit Beschlag belegt, und die Stutzer, die sich vorhin an sie heranzumachen versucht hatten, lungerten noch immer in der Nähe herum.
Da Amanda ihre Aufmerksamkeit ganz auf Leopold konzentriert hatte, sah sie nicht, wie Martin sich näherte. Und auch Leopold bemerkte ihn nicht, so gefangengenommen, wie er von Amanda war; unfähig, seinen Blick von ihrem Gesicht loszureißen. Erst als Martin unmittelbar neben ihr auftauchte, hielt sie in ihrer Erzählung inne und blickte auf - dann lächelte sie strahlend und streckte ihm zur Begrüßung die Hand hin.
»Mylord.«
Er schloss seine Finger um die ihren. Sie versank in einen Knicks. Er zog sie wieder hoch und verbeugte sich. »Miss Cynster.«
Sie lächelte noch immer, und ihre Augen leuchteten, erfüllt von einer Freude, die zuvor nicht da gewesen war. Der Ausdruck des Missfallens, der in Leopolds dunklen Augen erschien, als er seinen Blick zwischen Martin und Amanda hin- und herwandern ließ, deutete darauf hin, dass auch er das freudige Aufleuchten in ihren Augen wahrgenommen hatte, dass es somit also nicht nur ein Produkt seiner, Martins, Einbildung war.
»Dexter.« Leopold begrüßte ihn mit einem knappen Nicken. »Ihr seid mit Miss Cynster bekannt.«
Es war keine Frage - oder zumindest keine harmlose Frage ohne jeden Hintergedanken. Martin erwiderte Leopolds Blick. »Wir sind... Freunde.«
Leopolds Missfallen wurde noch deutlicher; das Wort »Freunde«, auf diese Art und Weise geäußert, konnte so ziemlich alles bedeuten. Leopold kannte Martin jedoch ziemlich gut.
Falls der Gegenstand ihrer beider Debatte auch nur das Geringste von dem Austausch ahnte, der da über seinen - oder vielmehr ihren, Amandas - Kopf hinweg stattfand, so ließ sie sich zumindest nichts davon anmerken, sondern schaute nur erwartungsvoll vom einen zum anderen, in ihren Augen die unübersehbare Hoffnung auf Unterhaltung. Schließlich ließ sie ihren Blick auf Martin ruhen.
Er sah sie an und lächelte gelassen. »Hättet Ihr Lust, ein bisschen umherzuschlendern und zu sehen, wer sonst noch alles da ist? Ihr seid ja nun schon eine ganze Weile hier, und ich bin sicher, es gibt noch genügend andere Gäste, die nur darauf warten, dass Leopold sich ihnen widmet.«
Martin hatte diesen letzten Satz als Warnung an Leopold gemeint. Ein plötzliches Aufblitzen in Amandas Augen, der Umstand, dass ihr Lächeln mit einem Mal noch eine Spur strahlender wurde, veranlassten ihn jedoch, sich seine gerade eben vorgebrachte Bemerkung rasch noch einmal zu gegenwärtigen. Als Amanda sich gleich darauf liebenswürdig
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