Küsse im Mondschein
weder zu erkennen, wie sie im Inneren reagierte, noch, wie sich diese Reaktion in Zukunft auf ihr Verhältnis auswirken würde.
Und weit schlimmer - er wusste inzwischen nicht mehr so recht, welche Reaktion er sich denn nun eigentlich von ihr wünschte. Wusste nicht mehr, ob er wollte, dass sie vor ihm davonlief oder dass sie zu ihm gelaufen kam.
Im Stillen runzelte er irritiert die Stirn. Die Unterhaltung um ihn herum wich in den Hintergrund zurück, verblasste in seinem Bewusstsein. Vom Verstand her wusste er durchaus, was er wollte. Amanda Cynster war nicht für ihn bestimmt; er wollte keinen engeren Kontakt mit ihr. Vom Verstand her war alles klar.
Warum dann also dieses Gefühl der Verwirrung?
Die Töne einer Geige rissen ihn abrupt aus seiner Gedankenversunkenheit. Alle wandten sich um, blickten in Richtung des Geräusches, bestätigten, dass nun zu einem Walzer aufgespielt werden würde. Martin schaute hinab und begegnete Amandas Blick aus blauen Augen. Fragend zog sie eine Braue hoch.
Er deutete mit einer Handbewegung in Richtung Tanzfläche. »Wollen wir?«
Sie lächelte und reichte ihm die Hand. Er führte sie zur Tanzfläche, fest entschlossen, Antworten auf seine Fragen zu finden.
Im Übrigen tanzte man im russischen Konsulat die Walzer ein wenig anders, als es wohl dem Stil der Schirmherrinnen von Almack entsprochen hätte. Martin zog Amanda in seine Arme, zog sie gleich darauf noch ein wenig enger an sich, als die Paare auf die Tanzfläche strömten.
Sie begannen sich zu drehen, sich im Takt der Musik zu wiegen. Amanda ließ ihren Blick durch den Saal schweifen, während sie zugleich angestrengt versuchte, ihre Atmung zu beherrschen, sich nichts von der Erregung und Atemlosigkeit anmerken zu lassen, die sich ihrer gleich in dem Moment bemächtigt hatte, in dem Dexter ihr seine Hand auf den Rücken gelegt hatte. Es war eine große, kräftige Hand - elegant und ohne jede Anstrengung lotste er Amanda durch das Gedränge. Aber die Hitze, die durch die Seide ihres Kleides brannte - und nicht nur jene Wärme, die von seiner Hand ausstrahlte -, sondern die alles durchdringende Hitze seines großen Körpers, der dem ihren so nahe war, nur einen knappen Zentimeter entfernt... Kein Wunder, dass es mit schöner Regelmäßigkeit vorkam, dass Damen auf überfüllten Tanzflächen in Ohnmacht fielen.
Nicht, dass Amanda schon jemals zuvor in Gefahr gewesen wäre, es diesen Damen nachzutun, und sie hatte bereits unzählige Male in stickigen, überfüllten Ballsälen getanzt.
Ich, meine Liebe, lasse mich nicht so leicht in Kategorien pressen. Amanda konzentrierte sich allein auf diese Worte, auf alles das, was sie verhießen - alles das, was sie so brennend gern haben wollte. Von ihm. Sicherlich, er war genauso arrogant und überheblich wie ihre Cousins; doch das kümmerte sie, ehrlich gesagt, nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es würde seine Eroberung für sie nur noch umso süßer machen.
Sie schaute ihm ins Gesicht, lächelte leicht. »Ihr beherrscht den Walzer wirklich perfekt, Mylord.«
»Dann seid Ihr wohl eine Expertin, wie ich annehme.«
»Nach sechs Jahren in den Ballsälen der Londoner Gesellschaft? Das bin ich allerdings.«
Er zögerte; sie versuchte, in seinen changierenden grünen Augen zu lesen, konnte den Ausdruck darin jedoch nicht deuten. »In dieser Arena hier seid Ihr aber keine Expertin, wie Connor ganz richtig feststellte«, erklärte er.
»Connor hat mir lediglich zu verstehen gegeben, dass ich meine Fähigkeiten wohl ein bisschen überschätzt habe, als ich dachte, es mit einem Spieler seines Formats aufnehmen zu können. Und in diesem einen Punkt stimme ich ihm sogar zu.« Sie blickte flüchtig auf die Tanzenden, die sich um sie herum im Walzertakt wiegten. »Ansonsten jedoch kann ich hier nur sehr wenig entdecken, das zu bewältigen eine echte Herausforderung für mich darstellen würde.«
Als Martin nichts darauf erwiderte, musterte sie forschend sein Gesicht. Er wartete und fing ihren Blick ein. »Was genau wollt Ihr, worauf habt Ihr es abgesehen?«
Auf dich habe ich es abgesehen. »Das habe ich Euch doch schon erklärt. Ich möchte das Leben ein bisschen genießen - ich möchte Dinge erleben, die aufregender sind als das, was die elegante Gesellschaft an Zerstreuung zu bieten hat.« Ruhig und unerschrocken erwiderte sie seinen Blick. »Und das ist, wie Ihr selbst ja schon gesagt habt, kein Verbrechen.«
»Kein Verbrechen, das sicherlich nicht, aber es ist gefährlich.
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