Küsse im Morgenlicht
die Schwachstellen, die Hürden in diesem Plan. Beurteilte sie, ersann die Mittel und Wege, um sie zu umgehen.
Es war kein gradliniger, unkomplizierter Plan, dennoch war es ein Plan, der ihn zum gewünschten Ziel führen würde. Und der Preis dafür war von einer Art, wie Luc ihn durchaus zu zahlen bereit war.
Er zögerte nur gerade lange genug, um sein Vorhaben im Geiste noch ein letztes Mal gründlich auf Herz und Nieren zu überprüfen; er sah jedoch nichts, was dazu angetan gewesen wäre, ihn von der Ausführung seines Plans abzuschrecken. Und so, wie er Amelia kannte, hatte er keine Zeit zu verlieren. Wenn er weiterhin die Kontrolle über die Entwicklung der Dinge behalten wollte, dann musste er auf der Stelle handeln.
Entschlossen schlug Luc die Bettdecke zurück und stand auf. Er zog ein Laken vom Bett und wickelte es sich um die Hüften, während er zu dem Schreibtisch hinüberging, der vor dem Fenster stand. Dort setzte er sich, nahm einen Bogen feines Briefpapier aus einer der Schubladen und griff nach seiner Schreibfeder.
Er war gerade dabei, den kurzen Brief mit Sand zu bestreuen, als ein Lakai mit seinem, Lucs, Waschwasser erschien. Luc blickte flüchtig auf, dann wandte er sich wieder dem Brief zu. »Wartet noch einen Moment.«
Er faltete die Nachricht zusammen, tauchte dann abermals seine Feder in das Tintenfass und schrieb Amelias Namen auf die Vorderseite. Den Brief ein paarmal hin und her schwenkend, damit die Tinte schneller trocken wurde, wandte er sich zu dem Lakaien um. »Bringt den hier bitte sofort in die Upper Brook Street zwölf.«
2
»Aber warum treffen wir uns denn im Museum?«, fragte Amelia, als sie auf Luc zutrat.
Er streckte den Arm aus, schloss seine langen Finger um ihren Ellenbogen und zog sie wieder herum in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war. »Weil wir hier quasi auf öffentlichem Parkett wandeln und uns trotzdem ganz ungestört miteinander unterhalten können. Wer uns sieht, wird glauben, dass wir uns hier vollkommen unabsichtlich und nur rein zufällig über den Weg gelaufen wären. Keiner würde auf die Idee kommen, dass man sich zu einem Rendezvous ins Museum begibt. Ich habe die Säle hier offiziell also nur unter Zwang betreten - als Begleiter meiner Schwestern und von Miss Ffolliot. Nein! Wink ihnen jetzt auf keinen Fall zu! Wir haben ausgemacht, dass sie sich jetzt erst einmal allein umsehen. Ich treffe sie dann später wieder.«
Amelia schaute zu den drei jungen Mädchen am anderen Ende des Ausstellungsraumes hinüber, die mit großen Augen eines der Exponate betrachteten. »Würde das denn eine Rolle spielen, wenn sie uns zusammen sähen?«
»Nein, das nicht. Aber wenn sie merken, dass du auch hier bist, dann erwarten sie natürlich, dass wir beide uns sofort zu ihnen gesellen. Und das wäre unserem Vorhaben nun wirklich nicht sonderlich zuträglich.« Damit drängte Luc Amelia durch eine kleine Tür und in den Saal mit den ägyptischen Artefakten hinein.
Amelia hob den Blick zu seinem Gesicht empor, musste aber leider feststellen, dass seine Miene ihr wie immer nichts verriet. Luc trug sein volles, pechschwarzes Haar sorgsam gekämmt, und die klassische Schönheit seiner fein geschnittenen Züge war durch die Ausschweifungen der vergangenen Nacht nicht im Geringsten beeinträchtigt worden. Es war nur schwer vorstellbar, dass Luc vor weniger als zehn Stunden noch sturzbetrunken zu ihren Füßen gelegen hatte.
Also, wie sollte sie ihre Frage nun am besten formulieren - was, lieber Luc, ist denn nun eigentlich der Grund für unser Treffen?
Amelia ließ ihren Blick einen Moment in die Ferne schweifen, wappnete sich innerlich gegen die ihr nun bevorstehende Unterredung und fragte: »Worüber möchtest du denn mit mir sprechen?«
Der Blick, den Luc ihr zuwarf, war scharf und eindringlich. Er zog Amelia unauffällig mit sich zum Rande des Saales, um dann unmittelbar vor einer Vitrine mit Töpferwaren stehen zu bleiben. »Ich hätte gedacht, dass das nach unserer Begegnung vergangene Nacht doch eigentlich klar sein müsste.«
Er hatte es sich anders überlegt. Er war aus dem Rausch aufgewacht, ihm war wieder eingefallen, was er gesagt hatte, und nun wollte er sein Versprechen wieder zurücknehmen. Amelia faltete die Hände, presste die Fingerkuppen zwischen die Knöchel, hob das Kinn - und blickte Luc fest in die Augen. »Versuch jetzt nicht, mir weiszumachen, dass du gestern angeblich so betrunken gewesen wärst, dass du überhaupt nicht mehr gewusst
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