Küsse im Morgenlicht
floh. Ein Lächeln spielte um seine Lippen - er war ehrlich amüsiert. Als sie die Hausecke umrundete, wandte er sich von Somersham Place ab und entschwand durch die Bäume.
Das Mädchen rannte um das Haus herum, während es von heftigen Schluchzern geschüttelt wurde und die Tränen ihm die Wangen hinabliefen. Die Närrin, du Närrin, du Närrin! Immer wieder erschallte diese Litanei in ihrem Kopf. Dann blieb sie stehen, zog zitternd ihren Umhang um sich und wickelte sich fest darin ein. Das Kinn auf die Brust gepresst, kämpfte sie darum, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Versuchte, sich selbst einzureden, dass dieser Albtraum doch wohl unmöglich wahr sein könne, dass ihre guten Absichten, die doch dem uneigennützigsten aller Motive entsprungen waren, sich nicht plötzlich so ganz und gar gegen sie gewendet haben konnten. So durfte es doch einfach nicht enden! Aber das Echo in ihrem Hinterkopf wollte einfach nicht verhallen. Mit einem letzten verzweifelten Schluchzer hob sie den Kopf. Sie durfte nicht länger hier draußen stehen bleiben. Sonst würde sie womöglich noch irgendjemand entdecken. Mit müden Schritten zwang sie sich, langsam weiterzugehen, steuerte auf die Seitentür des Herrenhauses zu und stahl sich zurück in die Sicherheit von Somersham Place.
Hoch über ihr und verborgen hinter einem der Mansardenfenster stand eine alte Krankenpflegerin. Stirnrunzelnd blickte sie auf jene Stelle auf dem Rasen hinunter, wo gerade eben noch die junge Frau gestanden hatte. Nachdem die übrigen Hausbewohner sich bereits vor Stunden zur Ruhe begeben hatten, war sie noch immer wach gewesen. Ihre Dienstherrin hatte wieder einmal eine ihrer unruhigen Nächte und war erst vor wenigen Minuten eingeschlafen. Die Pflegerin hatte soeben erst ihr Mansardenzimmer erreicht. An die Dunkelheit gewöhnt, hatte sie keinerlei Kerzen entzündet, sondern sofort damit begonnen, sich auszuziehen - da hatte eine plötzliche Bewegung draußen auf dem Rasen ihre Aufmerksamkeit erregt und sie ans Fenster gelockt. Eine Bewegung, die zu rasch gewesen war, als dass sie lediglich von einem Schatten hätte herrühren können.
Nun stand die alte Frau ruhig da, blickte sinnend nach draußen und dachte noch einmal über das nach, was sie eben gesehen hatte. Das Mädchen war vor irgendetwas geflohen, es war eindeutig in heller Aufregung gewesen. Dann war es einen Moment lang stehen geblieben. Schließlich, wie unter großer Kraftanstrengung, war es weitergegangen.
Das Mädchen war in Schwierigkeiten, so viel stand fest.
Die Gestalt unten auf dem Rasen hatte recht dickes braunes Haar gehabt, und es war so lang, dass es ihr bis auf die Schultern hinabfiel. Sie war schlank und von durchschnittlicher Größe. Und sie war jung - ziemlich jung.
Und verletzlich.
Die Pflegerin lebte schon zu lange, hatte bereits zu viel erlebt, um sich auf das Gesehene nicht ihren Reim machen zu können. Und irgendwo in diese ganze Geschichte war sicherlich auch ein Mann verwickelt. Mit fest zusammengepressten Lippen nahm sie sich vor, bei der nächsten passenden Gelegenheit einmal vorsichtig anklingen zu lassen, was sie beobachtet hatte. Ihre edle Herrin wusste mit Sicherheit, wer das Mädchen war. Da war die alte Dienerin sich sicher.
Und sobald sie wusste, um wen es sich bei diesem unglücklichen Geschöpf handelte, würde sie etwas zu dessen Rettung unternehmen.
Mit diesem Entschluss entledigte sie sich auch noch des Rests ihrer Kleidung, legte sich auf ihr Bett und sank sogleich in einen tiefen Schlaf.
Luc erwachte ganz allmählich, als er die warmen, zärtlichen Hände einer Frau auf seinem Körper spürte. Sie glitten über seine Brust, strichen mit begehrlicher, besitzergreifender Geste über die kräftigen Muskeln. Dann wanderten sie etwas tiefer, über seine Rippen, schließlich noch weiter hinab, um seine Hüften zu streicheln. Dort hielten die Hände einen Moment inne. Und glitten dann rasch zur Mitte seines Unterkörpers hinunter, wo sie sich warm und lebendig und herrlich fest um seine Morgenerektion schlossen.
»Hmmm.« Luc bewegte sich leicht unter ihren Händen und spürte dabei das Gewicht ihres warmen Körpers, das auf seinen Schenkeln lastete. Sie saß rittlings auf ihm, erforschte ihn eingehend - das genügte, um ihn schlagartig hellwach werden zu lassen und auch noch die allerletzten Reste von Schläfrigkeit aus seinem Hirn zu vertreiben. Und um ihn wieder daran zu erinnern, wer »sie« war.
Nur mit größter Mühe gelang es ihm,
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