Küsse im Morgenlicht
lediglich Teil des... Schauspiels war, das er der Öffentlichkeit gerade zum Besten gab. Amelia glaubte, Luc setze seinen allgemein bekannten Charme nun ganz gezielt und vor aller Augen ein, um damit den Beginn seiner offiziellen Brautwerbung um ihre, Amelias, Hand einzuläuten.
In gewisser Weise hatte Amelia mit dieser Einschätzung auch tatsächlich Recht. Und doch erklärte dieses angebliche Schauspiel, das sie beide gerade aufführten, nur zum Teil die plötzliche, heftige Art, mit der sie und Luc aufeinander reagierten - oder, um noch genauer zu sein, die wilden Emotionen, die ihre Reaktion in ihm hervorrief.
Seine Erfahrung, und er verfügte wahrlich über einen reichen Erfahrungsschatz, verriet Luc, dass Amelia nicht nur bemerkenswert einfühlsam war, sondern sich auch überraschend bereitwillig in die kleine Maskerade mit ihm fügte. Und wenn man dann noch bedachte, dass sein kleiner, nonverbaler Flirt mit ihr sie zunächst regelrecht aus der Bahn geworfen hatte, dann kam man unweigerlich zu der Erkenntnis, dass der Flirt Amelia eindeutig unter die Haut gegangen sein musste - und dass sie scheinbar erst wenig Übung darin besaß, ihre Gefühle vor einem Mann zu verbergen. Womöglich war er, Luc, sogar der Erste, der jemals derartige Reaktionen in ihr ausgelöst hatte.
Es war also nur allzu logisch, dass Amelias mädchenhaft-unerfahrenes Verhalten sie in Lucs Augen nur noch begehrenswerter erscheinen ließ. Sie war in gewisser Weise der Hauptgewinn der diesjährigen Ballsaison; sie war so sinnlich und doch so unberührt, unerfahren. Und sie war die seine, ganz und gar die seine. Luc konnte sich ein klitzekleines selbstgefälliges Grinsen also nur schwer verkneifen.
Er wusste, hatte es schon die ganzen Jahre über gewusst, dass die Regungen, die Amelia in ihm hervorrief, stärker waren und anders und mächtiger als alles, was jemals irgendeine seiner Damenbekanntschaften in ihm hatte auslösen können. Und in all der Zeit hatte er sich in Amelias Gegenwart stets allein darauf konzentriert, seine Reaktion auf sie zu unterdrücken, zu ignorieren. Nie hatte er ernsthaft versucht, in Amelia die gleichen Gefühle zu erwecken, wie er sie für sie empfand. Warum eigentlich? Und nicht ein einziges Mal hatte er ernsthaft daran gedacht, ihr offiziell den Hof machen zu wollen.
Bis heute.
Es fiel ihm schwer, Amelia nun nicht noch enger an sich zu ziehen. Er musste sich beherrschen, in Gedanken nicht schon weiter an seinem Plan zu schmieden, wie er sie schließlich nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf sinnlicher Ebene an sich binden wollte. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre schienen ihn mit leisem Flüstern zu warnen, dass ein zu schnelles Vorgehen nur die Gefahr barg, dass Amelia seine Taktik schließlich doch noch durchschaute - und sich seinem Vorgehen widersetzte. Es war erst wenige Augenblicke her, dass Amelia ihn misstrauisch gefragt hatte, was er eigentlich mit seinem Verhalten bezweckte. Und wenn er nun zu rasch handelte, würde ihr Misstrauen nur noch umso größer.
Nahm er sich hingegen Zeit und verführte sie ganz bewusst nur Schritt für Schritt, dann wäre Amelia - die im Moment ja noch dachte, ihre Reaktion auf Luc wäre ganz normal, das Übliche eben und nichts Außergewöhnliches - bereits viel zu sehr von ihm verzaubert, als dass sie seine Enthüllungen noch großartig interessieren würden, wenn er ihr schließlich gestand, dass er sie in Wahrheit gar nicht wegen ihrer Mitgift heiratete. Dann, bei einem langsamen, bedächtigen Vorgehen nämlich, wäre sie bereits viel zu gefangen in dem Sog ihres Verlangens nach ihm, wäre sie schon viel zu süchtig nach Luc, als dass sie noch darüber diskutieren würde, was genau nun eigentlich der Anlass dafür war, dass sie beide vor den Traualtar traten.
Die Musik wurde leiser, Luc und Amelia verlangsamten ihre Schritte. Sein ganzes Wesen, sein ganzes Bewusstsein konzentrierte sich allein auf sie. Er betrachtete ihre Erscheinung, schwelgte in den sinnlichen Verheißungen, die ihre zarte Haut, die Augen, die vollen Lippen - der Rhythmus ihres Atems - und nicht zuletzt ihre schlanke Gestalt zu bergen schienen.
All das gehörte ihm, ganz allein ihm.
Luc musste sich regelrecht zwingen, um schließlich die Arme zu öffnen und Amelia wieder loszulassen. Und er musste seine Begierde unter dem dunklen Schleier seiner Wimpern verbergen. Mit einem zwar leicht verkrampften, aber nichtsdestotrotz scheinbar vollkommen entspannten Lächeln legte er sanft
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