Küsse im Morgenlicht
tut mir einen Gefallen und versucht, nicht überall dran zu schnüffeln.«
Mit dieser vermutlich nutzlosen Ermahnung übernahm er wieder die Aufsicht über das Treiben auf der Festwiese.
Es überraschte Amelia keineswegs, als Sugden plötzlich neben ihr auftauchte - gerade noch rechtzeitig, um ihr ehrerbietig die Tür zu den Hundezwingern aufzuhalten. Sie wandte sich zu den Kindern um. »Wir müssen jetzt ganz leise sein und dürfen die Hunde nicht aufstören. In Ordnung? Also gut, dann gehen wir jetzt geradewegs bis ans Ende des Stalls und sehen uns die Welpen dort an.«
Alle nickten. »Das ist das erste Mal, dass wir die ganze Meute sehen, alle zusammen«, erklärte die kleine Anführerin der Gruppe Amelia mit leisem Flüstern. Sie packte die Hand ihrer großen Freundin noch etwas fester. Mit einer knappen Geste bedeutete Sugden ihnen einzutreten, und sofort machte die kleine Prozession sich auf und marschierte in Zweierreihen durch den Mittelgang des Gebäudes.
Amelia hörte gedämpfte »Ohs« und »Ahs«, und ein Blick zurück verriet ihr, dass die Älteren offenbar nicht nur auf die Welpen aus waren, sondern auch die erwachsenen Tiere mit gespannter Neugier betrachteten. Der älteste der Jungen, der ganz hinten ging, drehte sich zu Sugden um, der den Kindern folgte, und fragte ihn etwas. Sugden aber schüttelte den Kopf. »Nein. Die streichelst du besser nicht. Denn sobald du das tust, denken sie, sie dürfen gleich raus - und wenn sie dann merken, dass es für heute wohl doch nichts mehr wird mit einem Ausflug, werden sie mürrisch. Und das wollen wir doch lieber vermeiden.«
Der Junge akzeptierte das Verbot mit einem knappen Nicken, und doch schaute er verstohlen immer wieder nach den älteren Hunden, von denen die meisten sich mittlerweile an den Toren ihrer Zwinger versammelt hatten und mit aufgestellten Ohren und neugierig gereckten Köpfen den Besuchern nachsahen. Amelia wandte sich wieder nach vorn um und überlegte im Stillen, wie viele Burschen Sugden wohl für die Arbeit in den Hundezwingern beschäftigte. Vielleicht könnte er ja noch einen weiteren jungen Helfer gebrauchen?
Dann hoben sie Galahad aus einem Zwinger. Von diesem Moment an hatten alle Kinder nur noch Augen für den Welpen. Sie waren regelrecht hingerissen. Sofort nahm der tapsige junge Hund ihre ganze Aufmerksamkeit gefangen und war der bewunderte Mittelpunkt der Gruppe. Leise kläffend rannte er um ihre Beine herum, schnüffelte an den Händen, leckte zuerst die Finger der einen Hand, dann der anderen. Fünfzehn Minuten schienen kaum mehr als ein Wimpernschlag. Dann, als Amelia sah, wie Sugden unruhig auf der Stelle zu treten begann, nahm sie Galahad wieder auf, kitzelte ihm noch einmal das runde Bäuchlein und setzte ihn zurück zu seiner Mutter. Anschließend erklärte sie ihrem Gefolge nachdrücklich, dass der Besuch bei den Hunden nun vorbei sei und sie wieder auf das Fest zurückkehren müssten. Zufrieden und leise miteinander flüsternd marschierten die Kinder hinter Amelia her, verließen den Stall und traten hinaus in die Abenddämmerung.
Dann eilten die Älteren der Schar an ihr und Portia vorbei und rannten den kleinen Pfad hinab, der sie zurück auf die Festwiese führte. Schließlich lösten sogar die beiden kleinen Mädchen, die bis dahin noch fest an Amelias und Portias Händen gehangen hatten, sich aus deren Griff, bedankten sich höflich, knicksten und verabschiedeten sich schließlich, um hinter den anderen herzustürmen.
Sugden nickte Amelia und Portia kurz zu, ehe er die Türen des Zwingerstalls mit schwungvoller Geste wieder schloss. »Ich dreh noch mal’ne Runde und schau nach dem Rechten. Nur um sicherzugehen, dass auch alles verriegelt ist.«
Amelia erwiderte seinen Blick und nickte. »Und wir kehren wieder zurück auf das Fest.«
Damit drehte sie sich um, bemerkte aber noch, wie Portia flüchtig die Stirn runzelte. Fröhlich schob sie ihren Arm unter dem ihrer Schwägerin hindurch und wanderte dann hinter den Kindern her und den Pfad hinab. Sie wollte gerade irgendeine belanglose Bemerkung machen, um ihre Begleiterin von Sugdens plötzlicher Sorge um die Sicherheit von Calverton Chase abzulenken, als Portia sich mit einem Mal regelrecht versteifte.
Amelia hob den Kopf und sah einen Gentleman, der ein kleines Stückchen vor ihnen reglos am Rande des Pfades wartete. Sie waren schon fast auf gleicher Höhe mit ihm, und doch hatte Amelia ihn bis dahin gar nicht bemerkt, obwohl er zweifellos recht
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