Kuesse niemals deinen Chef
habe, oder? Sie standen direkt an der Bar.“ Die Brauen fragend erhoben, sah er sie gespannt an, doch Grace dachte gar nicht daran, seine Behauptung zu bestätigen.
„Wusste ich’s doch, dass ich Sie schon einmal gesehen hatte“, wiederholte er zufrieden.
„Leider kann ich mich nicht daran erinnern“, log Grace, um das Thema abzukürzen.
„Aber Sie müssen sich an mich erinnern!“ Sein Selbstvertrauen schien keine Grenzen zu kennen.
Unter seinem funkelnden Blick machte ihr Herz einen Hüpfer, und ihre Knie wurden weich wie Pudding. „Mr Wolfe … bitte. Das Projekt, an dem wir zusammenarbeiten sollen, funktioniert nur, wenn Sie bereit sind, ein paar Grundregeln einzuhalten. Nicht nur, was die Pünktlichkeit betrifft. Erlauben Sie mir, Ihnen einen kleinen Auffrischungskursus …“
„Wahrscheinlich weniger einen Auffrischungskursus als nachdrückliche Befehle, oder täusche ich mich da?“, unterbrach er sie und bestätigte für Grace damit ihren Eindruck eines gelangweilten Müßiggängers, der im Leben noch keinen Tag irgendeiner sinnvollen Arbeit nachgegangen war.
Lucas Wolfe machte es einem wirklich leicht, ihn abzulehnen. Grace wünschte nur, sie könnte sich dazu durchringen. Auf jeden Fall würde es ihr viel leichter fallen, wenn sie nicht in den nächsten Wochen mit ihm hätte zusammenarbeiten müssen.
„Bevor Sie ein Büro betreten, müssen Sie anklopfen und warten, bis man Sie hereinbittet“, informierte sie ihn kühl. „Außerdem sollten Sie Ihre Kollegen nicht ignorieren, wenn diese mit Ihnen sprechen, egal ob Sie das, was Sie selbst erzählen, interessanter finden. Und unangebrachte Bemerkungen, das Privatleben anderer betreffend, sind ein absolutes No-Go . Haben Sie das verstanden?“
Es sah aus, als würde Lucas sich irgendwo lässig anlehnen, aber das war unmöglich, da er mitten im Raum stand. Wieder erinnerte er Grace an eine große, trügerisch träge Wildkatze, hinter deren schläfrigem Blick sich Wachsamkeit und gebändigte Stärke verbargen.
„Habe ich mir irgendwelche Indiskretionen zuschulden kommen lassen?“, fragte er eher amüsiert als interessiert. „Wenn ja, dann bitte ich um Verzeihung. Aber so schlimm können sie wohl kaum gewesen sein, wenn ich mich nicht einmal daran erinnere.“
„Wahrscheinlich ist es Ihnen längst in Fleisch und Blut übergegangen, wie übers Wetter zu reden. Denken Sie bitte zukünftig daran, dass wir uns hier nicht auf einer Luxusjacht an der Côte d’Azur befinden, sondern im Hartington, einer überaus geschätzten britischen Institution.“
Jetzt lehnte er sich mit einem Schenkel an ihre Schreibtischkante. Unwillkürlich wich Grace eine Spur zurück und fragte sich, was er hinter dem gleichmütigen Blick aus kühlen grünen Augen wohl wirklich dachte.
„Also genau wie ich …“, sagte er nach einer Pause herausfordernd. „Ein wenig angenagt von den Stürmen des Lebens und dem Zahn der Zeit, aber immer noch attraktiv und glamourös genug, um Menschen für sich zu gewinnen. Stimmen Sie mir darin zu?“
Hin- und hergerissen zwischen dem Drang, über diesen absurden Vergleich zu lachen oder wegen seiner Überheblichkeit hysterisch zu kreischen, blieb Grace zunächst stumm. Dann räusperte sie sich leicht. „Das gesamte Team findet sich in einer halben Stunde zum täglichen Briefing im Konferenzraum ein.“ Nach einem kurzen Blick auf die flache goldene Uhr an ihrem Handgelenk wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden …“
„Sie waren die einzige Frau, die mich nicht angelächelt hat.“ Seine tiefe, sexy Stimme klang ebenso erstaunt wie vorwurfsvoll. „Zuerst dachte ich, Sie wollten sich mit Ihrer grimmigen Miene von den anderen Fans absetzen und meine Aufmerksamkeit erregen, aber so war es nicht, oder?“
„Sind Sie sicher, dass Sie wirklich von mir reden?“, fragte Grace kühl zurück und starrte blind auf ihren PC-Monitor. „Wenn überhaupt, kann ich mich nur an Ihren ebenso spektakulären wie unrühmlichen Abgang aus der Bar erinnern.“
„Nicht das kleinste Lächeln, Sie haben mich einfach nur angeschaut“, fuhr Lucas fort, „selbst, nachdem ich Hallo gesagt habe.“
„Tut mir leid“, murmelte Grace und runzelte die Stirn, als bereite ihr etwas, das sie auf dem Bildschirm sah, Probleme, „aber Sie müssen mich verwechseln.“
Auf keinen Fall werde ich mich von ihm einwickeln lassen!
„Nein, das glaube ich nicht.“
Eher würde sie sterben als zugeben, wie genau
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