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Kuesse sich, wer kann

Kuesse sich, wer kann

Titel: Kuesse sich, wer kann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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größer als ich, um die blauen Augen herum zeichneten sich erste Krähenfüßchen ab. Was von seiner blonden Haarpracht übrig geblieben war, stand jetzt raspelkurz vom Schädel ab. Er trug eine schwarze Hose und ein blaues Anzughemd, den Kragenknopf geöffnet.
    »Stephanie?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Ist das peinlich.«
    »Nur damit das klar ist: Diese Einladung war nicht meine Idee. Ich habe schon einen festen Freund.«
    »Morelli.«
    »Ja.«
    »Dem will ich nicht in die Quere kommen«, sagte Brewer.
    Mein Blick hob sich ganz leicht. »Trotzdem bist du hier.«
    »Ich wohne vorübergehend bei meiner Mutter«, sagte er. »Sie hat mich dazu gedrängt.«
    Ach Gott, der arme Trottel war ja schlimmer dran als ich.
    Um eine Minute vor sechs wurde das Essen serviert; mein Vater erhob sich aus seinem Sessel und eilte ins Esszimmer. Von seinem früheren Job bei der Post hatte er sich frühpensionieren lassen, heute arbeitet er gelegentlich als Taxifahrer. Er hat ein paar Stammgäste, die er werktags früh zum Bahnhof fährt, und manchmal sammelt er seine Freunde ein und kutschiert sie zum Kartenspielen zur Sons of Italy Lodge. Knapp 1,80 m groß, untersetzt, Stirnglatze, hinten einen Kranz schwarzer Löckchen. Jeans besitzt er keine, lieber kauft er sich Faltenhosen und Strickhemden mit Kragen aus der Tony-Soprano-Collection von JCPenney. Meine Oma erträgt er mit scheinbar bärbeißiger Resignation und punktueller Taubheit, aber ich glaube, unterschwellig hegt er Mordfantasien.
    Mir gab man den Platz neben Dave, Grandma gegenüber. »Wie schön«, sagte sie. »Wir haben nicht jeden Tag einen hübschen Mann am Tisch.«
    Mein Vater schaufelte das Essen in sich hinein und brummte irgendwas von wegen kannst mich auch gleich umbringen oder so – er zermalmte den Hackbraten und war schwer zu verstehen.
    »Was machen Sie hier in Trenton?«, fragte Grandma.
    »Ich arbeite für meinen Onkel Harry.«
    Harry Brewer betreibt ein Lager- und Umzugsunternehmen. Als ich nach der Scheidung von zu Hause auszog, hatte ich Brewer Movers mit dem Umzug beauftragt.
    »Schleppen Sie Möbel?«, fragte Grandma weiter.
    »Nein, ich mache Kostenvoranschläge und allgemeine Büroarbeiten. Das hat früher meine Cousine Francie erledigt, aber die hatte Streit mit meinem Onkel und ist einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen. Deswegen bin ich eingesprungen und helfe jetzt ein bisschen aus.«
    Grandma machte ein schmatzendes Geräusch mit ihrem Gebiss. »Hat seitdem mal jemand was von ihr gehört?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Genau wie bei Lou Dugan«, sagte Grandma.
    Ich kannte die Geschichte mit Francie, und es war nicht genauso wie bei Lou Dugan. Francies Freund wurde ebenfalls vermisst, und als Francie getürmt war, hatte sie knapp fünftausend Dollar aus der Portokasse mitgehen lassen. Angeblich hielten sich Francie und ihr Freund in Las Vegas auf.
    »Möchte jemand Wein?«, fragte meine Mutter. »Auf dem Tisch steht ein leckerer Roter.«
    Grandma goss sich zuerst ein und reichte die Flasche über den Tisch weiter an Dave. »Sie und Stephanie haben doch sicher bestimmt so einiges gemeinsam, wenn ihr zusammen zur Schule gegangen seid.«
    »Nein. Nichts«, sagte ich. »Nada.«
    Dave stutzte, die Gabel auf halbem Weg zum Mund. »Irgendetwas muss es doch geben.«
    »Und das wäre?«, sagte ich.
    »Einen gemeinsamen Freund.«
    »Glaube ich nicht.«
    »Sie haben Football gespielt, und du hast bei den Chearleadern den Majorettestab geschwungen«, sagte Grandma. »Ihr habt beide zusammen auf dem Spielfeld gestanden.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Wir sind in der Halbzeit aufgetreten, während die Spieler in der Umkleidekabine waren.«
    Dave wandte sich mir zu und sah mich an. »Jetzt weiß ich es wieder. Du hast während der Nationalhyme den Majorettestab in die Posaunengruppe geschleudert.«
    »Nicht meine Schuld«, sagte ich. »Es war kalt, und meine Finger waren halb erfroren. Und wenn du jetzt auch nur leise darüber lächelst, steche ich dich mit meiner Gabel nieder.«
    »Sie ist ganz schön tough«, sagte Grandma. »Sie ist Kopfgeldjägerin, und sie erschießt andere Leute.«
    »Ich schieße nicht auf Menschen«, sagte ich. »Jedenfalls so gut wie nie.«
    »Zeig ihm doch mal deine Pistole«, sagte Grandma.
    Ich lud Kartoffelbrei auf meinen Teller. »Meine Pistole interessiert ihn ganz bestimmt nicht. Außerdem habe ich sie sowieso nicht dabei.«
    »Sie hat nur eine ganz kleine Pistole«, sagte Grandma. »Meine ist größer. Wollen Sie mal meine

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