Küsse und andere Katastrophen
an sich herunter. Mit ihrer Kleidung war alles in Ordnung. Sie war ihre ganz persönliche Rüstung, um der Welt gegenüberzutreten.
“Ja, ja, du siehst toll aus wie üblich”, wiegelte Nicole sofort unwillig ab. Sie war Ärztin auf der Intensivstation im Krankenhaus, und schicke Kleider und aufwendige Frisuren waren ihrer Meinung nach nichts als Zeitvergeudung. Trotzdem war sie eine Schönheit. Jetzt musterte sie Taylor mit dem Röntgenblick, den anscheinend alle Ärzte beherrschten. “Und lass dir sagen, dass es ganz schön nervig ist, wenn du inmitten von Mörtel, Schutt und Staub so gut aussiehst. So, und jetzt raus damit: Was ist los?”
“Nichts.” Taylor zwang sich zu einem Lächeln. “Wahrscheinlich Heuschnupfen oder eine Allergie.”
“Blödsinn.” Nicole ging voraus und direkt in Taylors Apartment, wo sie sich alle aufs Bett setzten. Dann verteilte sie die Löffel. “Wir wollen die Wahrheit hören. Am besten gleich die ausführliche Version der Geschichte, dann müssen wir hinterher nicht so viel nachfragen.”
Taylor schob den Löffel in das Sahneeis und verspeiste gleich mit dem ersten Bissen eine Unmenge an Kalorien. “Ich habe doch schon gesagt, dass es mir gut geht.”
“Wenn Suzanne oder ich behaupten, es ginge uns gut, obwohl es nicht stimmt, dann lässt du uns nie damit durchkommen. Deshalb brauchst du das bei uns gar nicht erst zu versuchen.” Nicole wedelte mit dem Löffel. “Also heraus mit der Sprache. Wer ist der Mistkerl, der für den bedrückten Ausdruck auf deinem hübschen Gesicht verantwortlich ist?”
“Da gibt es keinen …” Taylor blickte in die beiden erwartungsvollen und gleichzeitig besorgten Mienen ihrer Freundinnen und stieß einen tiefen Seufzer aus. Um Mut zu sammeln, vernichtete sie gleich noch einen Löffel Eiscreme. “Mac heißt er. Ihm gehört die Firma, die ich mit dem Umbau beauftragt habe.”
“Und?” Fragend hob Nicole die Augenbrauen. “Da steckt doch noch mehr dahinter. So etwas spüre ich.”
“Und …” Ach, dachte sie, was soll’s! “Und er kann himmlisch küssen.”
Suzanne leckte ihren Löffel ab und lächelte. “Aha.”
“Wieso ‘aha’?” Taylor richtete sich auf.
“Du bist dabei, dich in ihn zu verlieben.”
“Bloß weil ich finde, dass er himmlisch küsst?”
“Weil deine Augen leuchten, wenn du das sagst.” Suzannes Stimme klang sehr sanft. “Dich hat’s schwer erwischt.”
“Lust oder Liebe?” In ihrer typischen direkten Art wollte Nicole Klarheit schaffen.
“Lust!” Taylor war empört.
Zögernd neigte Nicole den Kopf zur Seite. “Das kam mir ein bisschen zu schnell.”
“Ich bleibe Single, Nicole. Ohne jeden Zweifel.”
Suzanne griff nach Taylors Hand. “Erzähl doch mal, was an der Liebe so schlimm ist. Wer hat dich denn so verletzt?”
“Das Leben.” Mehr wollte Taylor im Moment nicht dazu sagen. Vielleicht würde sie die Einzelheiten nie jemandem verraten. “Eines solltet ihr wissen: Ich habe die Liebe erlebt, und, wie es so schön heißt, Liebe tut fürchterlich weh.”
“Das muss aber nicht immer so sein”, entgegneten Nicole und Suzanne wie aus einem Mund.
Aber Taylor wollte sich nicht umstimmen lassen. Liebe war nichts für sie, in diesem Punkt war sie sich ganz sicher.
Am Montagmorgen kümmerte Mac sich zuerst darum, dass seine Leute damit anfingen, die Fenster und Türen zu ersetzen, bevor er sich auf die Suche nach Taylor machte.
Er fand sie in ihrem Apartment auf dem Bett, und er hatte nicht damit gerechnet, dass allein ihr Anblick ihn so aus dem Gleichgewicht bringen würde. Sein Magen zog sich zusammen, sein Herz schlug schneller, und er konnte nur noch daran denken, Taylor an sich zu reißen und wieder in die Arme zu nehmen.
Eigentlich hatte er gedacht, dass er diese Sehnsucht seit Freitagabend überwunden hätte. Anscheinend hatte er sich in diesem Punkt geirrt.
Eigentlich durfte niemand auf der Welt morgens um sieben Uhr so fantastisch aussehen. Ihr glänzendes blondes Haar fiel ihr perfekt gekämmt über die Schultern, und zu einer hellgelben Hose trug sie ein gleichfarbiges ärmelloses Oberteil. Eine klassische, stilvolle Kombination. Das Oberteil war vorn und hinten weit ausgeschnitten, sodass Mac viel makellose Haut und aufregende Kurven sehen konnte. Seine Kehle war plötzlich trocken, und er sehnte sich nach einem Schluck Wasser. Die langen Beine hatte Taylor verschränkt, und eine Sandalette hing von ihrem Zeh herab und schwang hin und her, während sie mit dem Fuß
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