Kuessen al dente - Roman
Gourmet-Tempeln der Stadt bei weitem übertreffen, dann kann ich dem Marco beim besten Willen nicht mehr als eine halbe Gabel zugestehen. Vielleicht sollte der Besitzer und frühere Küchenchef, Marco Giado, sich still und leise davonstehlen und seine Fähigkeiten auf einem weniger konkurrenzträchtigen Markt verfeinern, bevor er wieder versucht, in einer Liga mit den wirklichen Größen des Big Apple zu spielen.
Georgia las den Artikel noch dreimal durch, bevor sie die Zeitung zusammenknüllte und auf den Fußboden warf. Von diesem Moment an würde sie bis in alle Ewigkeit die Halbe-Gabel-Küchenchefin bleiben, untrennbar verbunden mit der verheerendsten Kritik, die je in der Geschichte der Restaurantkritiken geschrieben wurde.
»Scheiße«, fluchte sie laut genug, dass Sally aus ihrem Nickerchen aufschreckte. Sie starrte die zerknüllte Zeitung an und wünschte, sie könnte das Schmierblatt in Flammen aufgehen lassen, dann ging sie ins Schlafzimmer und zog sich ihre
Joggingklamotten an. Auf dem Weg zur Tür versetzte sie der Zeitung einen Tritt, hob sie dann auf und hielt sie mit Daumen und Zeigefinger an einer Ecke fest wie eine Plastiktüte mit Hundekacke. »Komm, Sals«, rief sie. »Nichts wie raus hier.«
Während sie auf den Lift wartete, warf sie die Zeitung in den Müllschlucker. Sie war es nicht wert, recycelt zu werden.
Zwei Stunden später stand Georgia unter der Dusche, ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln und vermisste Glenn wie verrückt. Der letzte im Central Park vergossene Schweißtropfen war längst abgespült, doch sie brachte es einfach nicht über sich, das Wasser abzudrehen. Erstens weil das Telefon immer noch klingelte, zweitens weil sie schon neun Nachrichten auf dem AB hatte, und drittens und insbesondere wegen dieser niederschmetternden Kritik. Ihre Wut hatte inzwischen einer resignierten Erschöpfung Platz gemacht. Noch einmal die Haarkur bis in die Spitzen einmassieren, noch einmal von Kopf bis Fuß einseifen. Sally, die es sich auf der Badematte bequem gemacht hatte, steckte die Schnauze durch den Duschvorhang, schaute Georgia fragend an und verzog sich wieder auf die Matte.
»Okay, okay«, murmelte sie und drehte mit verschrumpelten Fingern das Wasser ab. Mit einem großen Schritt stieg sie über ihren Hund hinweg, wickelte sich in ein Badetuch und schlang ein kleineres Tuch um ihren Kopf. Als das Telefon wieder zu klingeln begann, wappnete sie sich mit einem tiefen Atemzug, ehe sie ins Wohnzimmer ging und abhob.
»Georgia.« Es war Lo.
»Hey«, sagte Georgia matt.
»Mensch, das tut mir so leid.«
»Hm.« Georgia war nicht nach Reden, auch nicht mit ihrer besten Freundin.
»Kann ich dich zum Frühstücken einladen? Zum Lunch? Oder auf eine tolle Gesichtsbehandlung?«
»Danke, Lo, aber ich muss allein damit fertigwerden. Ich rufe dich an, wenn sie mich gefeuert haben und ich so richtig in der Scheiße hocke.«
»Vielleicht feuern …«
Georgia unterbrach sie. »Bitte, fang jetzt bloß nicht damit an. Ich werde gefeuert, das wissen wir beide. Jeder, der The Daily liest, weiß es.«
»Verdammt, ich kann einfach nicht glauben, dass diese Frau so eine Giftspritze ist. Das war die gemeinste Kritik aller Zeiten.«
»Hm. Hör mal, ich muss Schluss machen. Hab noch einen anderen Anrufer, der langsam nervös wird.«
»Dinner oder Drinks heute Abend? Bist eingeladen, okay?«
»Mal sehen. Am Ende dieses Tages bin ich sicher reif für einen doppelten Was-auch-immer. Oder zwei oder drei.«
Sie beendete das Gespräch und nahm das andere an.
»Georgia, hier ist Bernard.«
»Nicht so toll, hm?«
»Nein, gar nicht toll, fürchte ich.« Er räusperte sich.
»Wann bekomme ich die Kündigung?«
Bernard ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe er ihr vorschlug: »Komm, ich lade dich zum Frühstück ein, und dann reden wir.«
»Willst du es nicht lieber gleich hinter dich bringen?«
»Balthazar. In einer Stunde. Schaffst du das?«
»Wenn ich schon mit dem Taxi durch die halbe Stadt gondeln soll, um mir meine Papiere abzuholen, dann wenigstens auf Marcos Rechnung. Ich bin nämlich bald arbeitslos, schon vergessen?«
»Das Taxi zahle ich. Das Frühstück geht auf Marco.«
»Okay, in dem Fall komme ich in einer Stunde ins Balthazar. Übrigens, ich bin mächtig hungrig.«
Georgia saß an einem Ecktisch im Balthazar, einst eines der In-Lokale der Stadt und inzwischen eine New Yorker Institution, und betete im Stillen, dass sie hier niemandem begegnete, mit dem sie
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