Kuessen al dente - Roman
mal irgendwo gearbeitet hatte oder der sie sonst irgendwoher kannte. Sie trug weiße, dreiviertellange Jeans, einen kurzen schwarzen Cardigan und schwarze Ballerinas, die ihre korallenrot lackierten Fußnägel verdeckten. Sie hatte sich lange überlegt, was sie anziehen sollte, und sich dann für Jackie O im Capri-Look entschieden. Wenn man gefeuert oder sitzengelassen wurde, war die ehrwürdige Ikone Jackie O das beste Vorbild – das wusste jeder. Georgias Haar war wunderbarerweise kein bisschen kraus, dank der fünfundachtzig verschiedenen Pflegeprodukte, die sie verwendet hatte, und des Glätteisens, das laut Aussage ihres Friseurs ihr Leben verändern würde. Ausgeschlossen, dass ihr mit einer Wischmoppfrisur gekündigt wurde.
Unauffällig beobachtete sie das Treiben im Balthazar, hielt Ausschau nach bekannten Gesichtern, prominent oder nicht. Bei ihrem letzten Besuch hier hatte sie eine strahlende Uma Thurman gesehen, die ein paar Tische von Anderson Cooper dinierte. Ihr Blick blieb an dem Zweipersonentisch unter dem riesigen Jugendstilspiegel hängen, ein sehr begehrter Tisch, der einem beim Betreten des Lokals sofort ins Auge fiel. Dort saß ein schweinsgesichtiger Mann, der mit dicken Stummelfingern etwas von seinem Teller nahm und in den Mund schob, während seine elegante Begleiterin, die eine frappierende Ähnlichkeit mit Donatella Versace besaß, so tat, als bemerkte sie seine Tischmanieren nicht. Georgia sah genauer hin.
O Gott, bitte nicht!, dachte sie. Der Mann hob seinen beinahe kahlen Kopf, woraufhin Georgia sich auf ihrer roten Sitzbank ganz kleinmachte und die Ärmel ihrer Strickjacke umklammerte wie einen Rettungsring. Es war tatsächlich Pierre du Mont, ihr ehemaliger Boss. Lieber Gott, bitte mach, dass er mich nicht gesehen hat, betete sie inbrünstig. Sie hatte sein Bistro verlassen, um in Brit Stanley Quinns erster Filiale in den Staaten zu arbeiten, und bei ihrer letzten Begegnung hatte Pierre ziemlich gekocht wegen ihr. Auch wenn seine Sprüche in Scherze verpackt gewesen waren, hatte sie doch gewusst, dass er stinksauer auf sie war. Pierre wandte sich wieder seinem Fingerfood zu und hatte sie offenbar nicht bemerkt. Für den Moment war sie sicher.
In einem sandfarbenen Trenchcoat, den Regenschirm unter den Arm geklemmt, eilte Bernard mit großen Schritten zum Empfangspult, von wo aus er nach seiner Frühstücksbegleitung Ausschau hielt. Georgia wartete, dass er sie fand, um ja nicht die Aufmerksamkeit von Pierre auf sich zu ziehen, der nur ein paar Tische von ihr entfernt saß.
»Hi, Georgia, schön dich zu sehen.« Bernard nahm Georgia gegenüber Platz.
»Du bist so ein Lügner, Bernard. Und ein schlechter dazu.« Sie nippte an einem Glas Pellegrino. »Oder du bist völlig traumatisiert, weil du mich abservieren musst, was dich wiederum zu einem ganz furchtbar netten Menschen macht.« Sie lächelte, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihm nicht böse war.
»Hör zu, du hast Recht damit, dass ich dich feuern werde. Und darüber bin ich überhaupt nicht glücklich. Wir wissen doch alle, dass diese miese Kritik nichts mit dem Essen zu tun hat, oder der Einrichtung, der überteuerten Weinkarte, dem schlechten Benehmen der Kellner oder irgendwas anderem,
was diese …«, er unterbrach sich, suchte nach dem richtigen Wort, »diese Person geschrieben hat. Das ist alles nur passiert, weil Marco seinen Schwanz nicht in der Hose lassen konnte.« Bernard schaute sich nach einem Kellner um, der in dem Moment wie aus dem Nichts erschien.
»Zwei Bloddies mit Ketel One. Richtig?« Er sah Georgia an, wartete auf ein bestätigendes Nicken.
»Eigentlich hätte ich mehr Lust auf Champagner. Was haben Sie anzubieten?«
»Glasweise können wir Ihnen Pol Roger, Veuve …«
»Ich denke, wir nehmen eine Flasche. Eine richtig gute, bitte. Haben Sie Krug?«
Der Ober nickte. »Selbstverständlich. Bringe ich sofort.«
»Großartig, Georgia. Nur weil du deinen Job verlierst, musst du jetzt nicht dafür sorgen, dass ich auch noch gefeuert werde.«
»Nun hab dich mal nicht so, Bernard. Du weißt genau, dass Marco kein Wort über die Kosten dieses Frühstücks verlieren wird. Außerdem, sieh dir doch an, wie glücklich wir unseren Kellner gemacht haben.«
»Wie wahr.« Er senkte den Blick auf seine Hände. »Also, wie ich schon sagte, ich muss dich entlassen. Unnötig, lange um den heißen Brei herumzureden. Du kannst deinen Spind selbst ausräumen, ich kann dir dein Zeug auch nach Hause schicken
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