Küssen auf eigene Gefahr
dem, was diese Frau sagte, auch nur ein Körnchen Wahrheit steckte, dann durfte er möglichst kein Aufsehen erregen, wenn er sie quer durchs Land zurück nach Miami schaffte. Ein Blick auf den Rotschopf genügte, um zu wissen, dass es ziemlich unwahrscheinlich war, dass sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, und die Klamotten, die sie jetzt trug, machten die Sache nicht besser. Wenn er ihr zu allem Überfluss auch noch Handschellen anlegte, konnte er das Ganze gleich vergessen und sich darauf einstellen, dass er bei ihrer Rückkehr nach Miami reif für die Klapsmühle sein würde, vorausgesetzt, sie kämen überhaupt so weit.
Sein Gesicht bekam einen grimmigen Ausdruck. Das würde nicht passieren, nicht, solange er seinen Job gut machte. Und nicht, solange es galt, eine Prämie zu kassieren und diese Fischerhütte für Gary zu kaufen.
Er löste sich von Catherine und trat einen Schritt zurück. Sie schwankte leicht, und er legte seine Hände auf ihre Schultern und stützte sie gegen die Wand der Toilettenkabine. »Kommen Sie«, sagte er heiser. »Es ist Zeit, dass wir uns auf den Weg zum Bus machen.«
Sie blinzelte. »Was?«
Sam presste die Lippen zusammen, als er ihre großen verschreckten Augen sah. Oh Mann. Sie hatte wirklich ihren Beruf verfehlt. In Hollywood wäre sie die Sensation gewesen - und zwar ohne dass sie dafür 95 Prozent ihres Körpers hätte enthüllen müssen.
Er hatte keine Ahnung, warum ihn dieser Gedanke nicht los ließ.
Hinter ihnen ging die Tür auf. Sams Kopf fuhr herum, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er in dieser Haltung unmöglich schnell genug an seine Waffe kommen konnte. Eine Frau trat durch die Tür, blieb jedoch abrupt stehen, als sie ihn sah. Ihre Augen verengten sich, während ihr Blick von ihm zu Catherine wanderte.
»Geht zum Knutschen gefälligst woandershin«, blaffte sie. »Es gibt nämlich Frauen, die Wert darauf legen, dass sie nur Menschen ihres Geschlechts vorfinden, wenn sie eine Damentoilette betreten.«
»Kommen Sie, Red.« Sam griff sich Koffer und Reisetasche, legte einen Arm um Catherines Schultern und führte sie an der empörten Frau vorbei zur Tür und dann weiter durch den Wartesaal zum Ausgang. »Der Bus wird in ein paar Minuten hier sein;« Ein rascher Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es zwanzig vor sechs war. Das erinnerte ihn daran, dass es allmählich Zeit wurde, sich ein paar Gedanken ums Abendessen zu machen, da sie vor dem nächsten fahrplanmäßigen Halt stundenlang im Bus sitzen würden. »Haben Sie Hunger?«
Sie antwortete mit einem Kopfschütteln.
»Vermutlich reicht die Zeit noch, um einen Hamburger zu kaufen.« Er deutete mit dem Kopf auf den Burger King, zu dem man vom Wartesaal aus Zugang hatte.
Sie schüttelte sich kurz und sah weg.
»Okay, kein Hamburger. Ich denke, ich werde trotzdem ein bisschen Proviant besorgen. Sie könnten es sich auf der Fahrt ja anders überlegen.« Er zog sie zu einer Reihe von Verkaufsautomaten und wählte ein paar Sachen aus, die er in seine Reisetasche warf. Dann führte er sie nach draußen, wo bereits einige Fahrgäste herumstanden und rauchten oder auf und ab gingen, während sie auf den Bus warteten. Sam griff automatisch nach den Zigaretten in seiner Brusttasche, bevor ihm einfiel, dass er das Rauchen ja aufgegeben hatte.
Einen Augenblick später fuhr der Bus vor. Sobald er stand, öffneten sich mit einem leisen Zischen die Türen. Sam brachte seine Gefangene an Bord, und wenige Augenblicke später hatte er Catherine zu einem Fensterplatz geführt und das Gepäck auf der Ablage über ihren Köpfen verstaut. Er ließ sich auf dem Platz neben ihr nieder.
Sie sagte kein Wort. Genau genommen schenkte sie ihm nicht die geringste Beachtung. Sie hatte sich von ihm weggedreht und sah aus dem Fenster, als der Bus den Busbahnhof verließ. Sam hätte genauso gut nicht da sein können.
Ihm sollte es recht sein. Je weniger sie sprachen, umso besser. Er war wirklich nicht wild darauf, sie näher kennen zu lernen. Die Lichter der Stadt beleuchteten ihr Profil, als der Bus Richtung Schnellstraße fuhr, und Sam starrte finster vor sich hin. Sie war nichts als eine Ware für ihn - das merkwürdige Gefühl, das er in seinem Inneren verspürt hatte, als er ihr dabei zusah, wie sie den Lippenstift auftrug, hatte überhaupt nichts zu sagen. Zum Teufel, wahrscheinlich war das nur der Hunger gewesen - im Gegensatz zu ihr hätte er jetzt gut einen Hamburger vertragen können. Ware, wiederholte er im
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