Küssen auf eigene Gefahr
Stillen. Sie ist nichts als eine Ware.
Ein Päckchen, das er abliefern musste, bevor er endlich seine Pläne verwirklichen konnte.
4
K aylee stand vor dem Schrank im Schlafzimmer ihrer Schwester. Besaß Catherine denn kein einziges Kleidungsstück, das nicht so aussah, als stamme es aus einer Sammlung der Heilsarmee? Sie ging die Kleiderbügel einen nach dem anderen durch. Moosgrün, Ockergelb, Braun, oh je. Und dazwischen nicht ein Teil, das in einer Frau den Wunsch weckte, in ihre hochhackigen Pumps zu schlüpfen und zu zeigen, was sie hatte. Wie konnte Cat bloß diese langweiligen Klamotten tragen? Mit einem tiefen Seufzer tauschte Kaylee ihr knallenges purpurrotes Glitzertop gegen eine schlichte hellbraune Bluse. Na gut, die Farbe schmeichelte ihrem Teint. Aber sie brachte ihren tollen Busen oder ihre schmale Taille ganz sicher nicht so zur Geltung, wie sie es verdient hätten.
Aber es half nichts. Falls einer der Nachbarn sie zu Gesicht bekam, war es unbedingt notwendig, dass er sie für Catherine hielt. Kaylee brauchte einen Ort, an dem sie in aller Ruhe darüber nachdenken konnte, was sie als Nächstes tun sollte.
Sie hatte den Kopfgeldjäger sofort wiedererkannt. Das erste Mal hatte sie ihn an dem Tag gesehen, an dem sie die Angelegenheit mit ihrer Kaution geregelt hatte. Sie hatten an diesem Nachmittag im Büro des Kautionsverleihers kein Wort miteinander gesprochen, aber ein attraktiver Mann fiel ihr immer auf, und solche großen, schweigsamen Typen wie er verfügten weiß Gott über eine gehörige Portion Sexappeal.
Heute hatte sie sich im Carport eines der Nachbarn versteckt, bis er mit Catherine weggefahren war. Danach hatte sie sich zum Haus ihrer Schwester zurückgeschlichen und an all den Stellen gesucht, die Catherine früher immer als Versteck benutzt hatte, bis sie den Ersatzschlüssel gefunden hatte. Als sie durch die Hintertür ins Haus geschlüpft war, hatte sie für einen kurzen Augenblick Gewissensbisse verspürt, weil sie ihre Schwester mit in diese Sache hineingezogen hatte. Aber Catherine würde damit schon fertig werden; sie wurde schließlich mit allem fertig. Kaylee war diejenige, die stets jemanden brauchte, der ihr half.
Als sie jetzt in Catherines Schlafzimmer stand, überkamen sie allerdings Zweifel, ob das, was sie tat, wirklich so gut war. Sie sagte sich, dass ihrer Schwester nichts passieren würde. Das Ganze würde Catherine nicht mehr als ein, zwei Tage ihres Lebens kosten. Und immerhin kam sie umsonst nach Miami, wo sie den Leuten dann schon unmissverständlich klar machen würde, wer sie war.
Die Vorstellung, dass Cat sich irgendwo in der Nähe von Miami befinden würde, war jedoch genau das, was Kaylee nervös machte. Gott, was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Sanchez verfügte über Einfluss, er hatte Beziehungen - er kannte alle möglichen Leute, die ihre Verbindungen spielen lassen konnten. Er hatte sich zweifellos irgendeine Geschichte ausgedacht und verbreiten lassen, dass er sie suchte, und wenn im Gericht irgendjemand ihre Zwillingsschwester sah und ihm davon berichtete, dann würde er sich sicher nicht lange damit aufhalten, nach Catherines Namen zu fragen.
Er würde natürlich davon ausgehen, dass er ihn bereits kannte, und dafür sorgen, dass Catherine für immer den Mund hielt. Oh Mann. Diesmal hatte sie wirklich Mist gebaut.
Das Letzte, was Kaylee zu sehen erwartet hätte, als sie ein paar Stunden später unruhig durch das Haus lief und dabei hin und wieder einen Blick aus dem Fenster warf, war Bobby LaBon, der in diesem Moment draußen seinen Wagen parkte.
Er hat mich gefunden! Wie um Himmels willen hat er mich finden können? Ihr erster Impuls war zu fliehen. Doch sie versuchte sich zusammenzureißen. Denk nach. Sie musste das tun, was Cat getan hätte. Sie musste Catherine sein.
Kaylee blieb abrupt stehen. Das war es. Sie musste Catherine sein.
Sie rannte ins Badezimmer und rieb sich mit einem Waschlappen übers Gesicht, um das Make-up zu entfernen. Anschließend fuhr sie sich mit einer Bürste ein paar Mal kräftig durch die Haare und band sie zu einem strengen Pferdeschwanz zusammen. Während sie zur Vordertür eilte, knöpfte sie Catherines Bluse bis an den Hals zu. Sie holte tief Luft, öffnete die Tür, bevor Bobby Zeit hatte, zu klopfen oder sie einzutreten oder was immer er vorhatte, und bückte sich nach der Zeitung, die sie einige Zeit zuvor gegen die Tür hatte knallen hören. Sie richtete sich auf und fuhr erschrocken zusammen. »Oh!
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