Küssen auf eigene Gefahr
entdeckt, nachdem er dort seinen Jeep abgestellt hatte. Er torkelte herum, brüllte wie ein Irrer und feuerte von Zeit zu Zeit einen Schuss aus einer Pistole ab, die er gar nicht haben durfte.«
Sam schloss die Augen, er konnte das alles so deutlich vor sich sehen, als sei es erst gestern gewesen. Die schwüle Nacht, der Vollmond, der immer wieder hinter Wolken veschwunden war. Der Jeep, den der Soldat mitten auf den Platz hatte stehen lassen, mit laufendem Motor, eingeschalteten Scheinwerfern und offener Fahrertür. Die plötzliche Stille, als die Grillen, die sich durch die Anwesenheit der Menschen gestört fühlten, verstummt waren. »Ich habe mit ihm geredet und mich bemüht, ihn zu beruhigen. Gleichzeitig haben wir versucht, ein Flankenmanöver durchzuführen.« Sein auf Catherines Busen gebetteter Kopf hob sich, als sie tief Luft holte, und Sam ahnte, was nun kommen würde, bevor sie auch nur ein Wort gesagt hatte. Um seinen Mund spielte ein Lächeln, und er antwortete ihr auf die Frage, die sie noch gar nicht gestellt hatte. »Das bedeutet, dass einer - in dem Fall ich - sich nach einer Seite hin bewegt und die Aufmerksamkeit des Burschen auf sich lenkt, während sein Partner sich auf der anderen Seite vortastet. Auf diese Weise verwirrt man den Gegenspieler, denn jetzt hat er es mit zwei Zielen zu tun, zwischen denen er sich entscheiden muss, und die MPs, die einzeln auch eine kleinere Zielfläche abgeben, haben eine größere Chance, ihn zu entwaffnen.«
»Und, war Gary irgendwie gezwungen, dieses Flankenmanöver wider besseres Wissen auszuführen?«
»Nein, das ist die übliche Vorgehensweise in solchen Fällen. Und im Allgemeinen funktioniert es auch.«
»Nur dieses Mal ...«
»Nur dieses Mal habe ich es vermasselt«, sagte er ruhig. »Ich hab's nicht geschafft, die Aufmerksamkeit des Spec-4 ausschließlich auf mich zu lenken. Er hat sich ständig hin-und hergedreht, um uns beide im Visier zu behalten, aber hauptsächlich hat er sich auf mich konzentriert, so wie es sein sollte, und ich hatte auch das Gefühl, dass er langsam ruhiger wurde. Ich hatte ihn schon fast so weit, dass er seine Waffe fallen ließ. Aber dann muss ich irgendetwas gemacht oder gesagt haben, eine falsche Bewegung, ein falsches Wort, weil er von einer Sekunde auf die andere völlig durchdrehte und anfing, herumzubrüllen und wild um sich zu schießen. Ich warf mich auf den Boden und schoss zurück.« Bei der Erinnerung an sein Versagen begann er schneller zu atmen. »Ich habe ihn auch getroffen, nur leider war es zu spät. Er hatte Gary bereits erwischt.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann fragte Catherine: »Und weshalb war das Ihre Schuld?«
»Weil ich der Hauptfeldwebel war, verdammt noch mal!«
Sie spürte, wie sich seine Muskeln unter ihren Händen anspannten, und erkannte, in welchem Aufruhr er sich befand. »Und Gary war ...?«
»Feldwebel.«
»Also Ihr Untergebener.«
»Es war meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Situation nicht eskalierte, und das habe ich nicht geschafft. Und die Folge war, dass ein Mann, der nicht nur unter meinem Befehl stand, sondern auch mein bester Freund war, seither seine Beine nicht mehr gebrauchen kann.«
Catherine hatte das Gefühl, dass sie allmählich zu verstehen begann. »Und Gary hat Ihnen Vorwürfe gemacht?«
Er gab ein kurzes, bitteres Lachen von sich. Zu ihrer Überraschung verspürte Catherine das Bedürfnis, ihn zu trösten, ihn in die Arme zu nehmen und wie ein kleines Kind hin und her zu wiegen.
»Sechs, sieben Monate lang haderte Gary mit Gott und der Welt. Er gab dem Spec-4 die Schuld, den Marines, die den Burschen am Tor nicht aufgehalten hatten, der US-Army insgesamt. Aber mir hat er aus irgendeinem unerfindlichen Grund nie den geringsten Vorwurf gemacht.« Es klang, als wäre es gerade das, was ihn besonders schmerzte.
»Vielleicht deswegen, weil er das Ganze als das akzeptiert hat, was es war: ein tragischer Unfall.«
»Nein, weil er ein besserer Freund ist, als ich ihn verdiene«, stellte Sam lakonisch fest und ließ damit erkennen, dass keine weiteren Erklärungen folgen würden.
Er verlagerte sein Gewicht. »Ich glaube, ich habe genug gekotzt.« Er fühlte sich ungeheuer schwach, und ihm war kalt, eiskalt - was angesichts der Hitze, die in dem engen Raum herrschte, darauf hindeutete, dass er völlig dehydriert war. Trotzdem verzichtete er auf die wohltuende Wärme, die ihm Catherines Körper spendete, und setzte sich auf. Es war einfach zu
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