Kuessen gut, alles gut
gedruckten silbernen Buchstaben. »Junger Security – Privater Sicherheitsdienst GmbH« stand darauf, und darunter drei Telefonnummern: Büro, Handy und Fax. Sie drückte mit der spitzen Ecke der Visitenkarte auf ihren Daumen und konzentrierte sich auf den punktgenauen Schmerz. Es war alles zu viel. Der heutige Abend war zu viel für sie gewesen. Rickys schmierige Annäherungsversuche und G. I. Joe, der ihrem Boss einen Schlag verpasst hatte. Ihren Job war sie los, und sie hatte keine Ahnung, wann sie einen neuen ergattern würde. Klar, sie konnte in irgendeiner Spelunke Cocktails mixen, doch das Trinkgeld war dort nicht so gut wie in South Beach. Wenn sie sich nicht schleunigst eine Arbeit suchte, würde sie auch noch ihr winziges Apartment verlieren. Sicher, viel war es nicht, aber derzeit ihr Zuhause. Auf dem Treuhandkonto von Clive Hollowell war zwar Geld, das ihr allerdings nie gehört und schon immer mehr Probleme verursacht als gelöst hatte.
Sie atmete tief durch und griff sich an den Hals. Das war ihr alles zu viel. Der heutige Abend überstieg ihre Kräfte. Ricky. Ihr Job.
Sadie. Würde sie sich trauen, zu ihr Kontakt aufzunehmen?
»Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«, fragte die Kellnerin, während sie den leeren Teller und den Kaffeebecher ihr gegenüber abräumte.
»Nein danke.« Stella stopfte ihren Amy-Beehive in ihren Rucksack, stand auf und sah auf die Karte in ihrer Hand. Wenn sie sie auf dem Tisch liegen ließe, wäre die Sache entschieden, und sie müsste nicht mehr darüber nachdenken. Sie wünschte, sie könnte mit ihrer Mutter darüber sprechen. Nicht dass Marisol je eine gute Ratgeberin gewesen wäre, aber manchmal half es Stella, einfach nur laut über Probleme nachzudenken. Manchmal musste sie mit jemandem über ihre Optionen und die möglichen Folgen reden, um sich alles richtig klarzumachen.
Sie schob sich den Rucksackgurt über die Schulter und steckte die Karte in eine Außentasche. In New Mexico war es halb zwei in der Nacht, und es würde sowieso keinen Sinn haben, mit ihrer Mutter darüber zu sprechen.
Sie verließ das Café und lief zurück zu Ricky’s Rock ’n’ Roll Saloon. Der Wind hatte zugelegt, und sie zog den Kopf vor der feuchten Luft ein. Als sie um die Ecke bog, trafen sie die ersten Regenspritzer auf den nackten Schultern und auf der Stirn. Vorsichtshalber blieb sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und ließ den Blick über den Parkplatz schweifen. Abgesehen von den Fahrzeugen der Angestellten war er leer. Kein lebloser Körper vor der Hintertür. Kein Krankenwagen. Niemand, der ihr im Dunkeln auflauerte. Regentropfen prasselten ihr ins Gesicht, als sie zu ihrem Chrysler PT Cruiser rannte und hineinhechtete. Angespannt ließ sie den Wagen an und fuhr ohne Licht vom Parkplatz weg. Sie schaltete die Scheinwerfer und die Scheibenwischer erst an, als sie schon auf dem Weg zu ihrer Wohnung nahe der Fifty-eighth und Sixth war. Sie schaute in den Rückspiegel und rechnete fast damit, dass ihr jemand folgte. Dass irgendwas passierte. Sie war sich nicht ganz sicher, was, konnte aber erst wieder freier atmen, als sie vom Julia-Tuttle-Damm abgefahren war. Sie fuhr weiter durch die glänzenden Lichter der Hochhäuser im Stadtzentrum und unter schwankenden Ampeln hindurch. Fünfzehn Minuten später fuhr sie auf den ihr zugewiesenen Parkplatz ihrer Apartmentanlage aus Terrakotta und rotem Stuck. Sie rannte zum vorderen Teil des Gebäudes und die Treppen zum zweiten Stock hinauf. Sobald sie in ihrer Wohnung war, verschloss sie die Tür hinter sich und schob Riegel und Kette vor. Ein Licht am Ofen erhellte einen kleinen Teil der winzigen Küche. Sie zahlte monatlich achthundert Dollar für die sechsundfünfzig Quadratmeter große Wohnung, die mit kargen Ikea-Möbeln eingerichtet war. Ein Sofa, zwei Sessel, ein Couchtisch und eine Schlafzimmergarnitur. Mehr war es nicht. Da sie oft umzog, war es nur vernünftig, nicht zu viele Habseligkeiten anzuhäufen.
Stella ging in die Küche und stellte ihren Rucksack auf der Theke ab. Sie schnappte sich eine Flasche Wasser und tapste im Dunkeln ins Schlafzimmer. Obwohl ihr der Kopf schwirrte, lastete die Erschöpfung schwer auf ihren Schultern. Sie schaltete das Licht an und zog ein Tanktop aus der Kommode.
Normalerweise entspannte sie sich nach der Arbeit vor dem Fernseher, doch heute Nacht würde es mehr brauchen als Wiederholungen und Dauerwerbesendungen. Sie schnürte ihre Stiefel auf und zog sie aus; dann fielen
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