Kuessen gut, alles gut
ihr Bustier, die Ledershorts und der Spitzentanga zu Boden. Sie ging ins Bad, sprang unter die Dusche und wusch sich den Geruch von Ricky’s Rock ’n’ Roll Saloon aus den Haaren. Während ihr das Wasser über den Kopf strömte, erlaubte sie es sich, darüber nachzudenken, wie es sein würde, ihre Schwester zu treffen. Wenn es stimmte und Sadie nichts von ihr gewusst hatte, sollten sie sich vielleicht treffen. Schaden konnte es ja nichts. Nur …
Sadie war so erfolgreich. Sie hatte in Austin und in Berkeley studiert und als Immobilienmaklerin in Phoenix gearbeitet. Eine Top-Verkäuferin, zumindest war sie das bis zum Tod ihres Vaters gewesen. Jetzt war sie die Besitzerin der JH-Ranch und hatte einen Verlobten, der sie so sehr liebte, dass er G. I. Joe angeheuert hatte, um Stella ausfindig zu machen.
Sie drehte das Wasser ab und umwickelte ihre Haare mit einem kuschelweichen Handtuch. Okay, vielleicht hatte sie hin und wieder den Namen ihrer Schwester in eine Suchmaschine eingegeben. Sich ab und zu über ihren Werdegang informiert. Als sie noch klein war, hatte sie im Amarillo Globe über Sadie gelesen und ein paar vage Fantasien über ein Schwesterntreffen gehegt. Bei dem sie sich um den Hals fielen und vor Freude weinten. Vielleicht trugen sie Schwestern-Medaillons und lackierten sich die Fingernägel rosa, weil Rot was für leichte Mädchen war. Vielleicht hätten sie öfter telefoniert, einander geschrieben und die Ferien zusammen verbracht.
Doch das Treffen hatte nie stattgefunden, und sie hatte diese Fantasien schon vor langer Zeit aufgegeben. Fantasien waren töricht, und man zahlte einen hohen Preis dafür.
Sie schnappte sich ein zweites Handtuch, das über dem Ständer hing. Sie trocknete sich ab und kämmte ihre langen nassen Haare. Sadie war fünf Jahre älter als sie. Sadie war gut aussehend und erfolgreich, und Stella …
War es nicht.
Sie zog sich einen rosa Slip und das passende Unterhemd dazu an. Sadies Mutter war eine Schönheitskönigin gewesen, die aus einer angesehenen Familie stammte; Stellas Mutter war Kindermädchen und stammte von einer langen Reihe illegaler Schwarzarbeiter ab. Einmal, als Stella etwa zehn war, hatte sie es lustig gefunden, ins Haus ihrer Mutter zu rennen und »La Migra! La Migra! La Migra!« zu schreien. Sie hatte ihren Stiefvater und ihren Onkel noch nie so schnell laufen sehen. Vor allem Onkel Jorge, der aus dem Fenster gesprungen war. Als allen dämmerte, dass die Grenzpatrouille gar nicht anrückte, hatte sie große Schwierigkeiten bekommen. Im Nachhinein verstand sie, dass es vielleicht nicht der beste Witz gewesen war.
Sie kroch ins Bett und kuschelte sich in ihre Federkissen. Schon als sie noch klein war, hatte sie niemand so rasend komisch gefunden wie sie sich selbst. G. I. Joe hatte sie auch nicht lustig gefunden. Wenn sie sich je mit Sadie traf, würde die sie bestimmt auch nicht lustig finden. Oder vielleicht, nur vielleicht, hätte ihre Schwester den gleichen Humor. Irgendwoher musste er ja kommen.
Stella schaltete den Fernseher an. Sie fand eine Wiederholung von Two and a half Men mit Charlie Sheen. Sie war überzeugt, dass sie lange wach liegen würde, und wunderte sich, als sie die Augen aufschlug und die Sonne in ihr Schlafzimmer schien. In der Glotze gebärdete sich der Moderator Jerry Springer, als scherte er sich den Teufel um die zwei Frauen, die sich wegen irgendeines Proleten heftig prügelten. Sie machte den Fernseher aus und sah auf die Uhr. Es war kurz nach neun. Da sie nur fünf Stunden geschlafen hatte, drehte sie sich auf den Rücken und versuchte wieder einzuschlafen. Die Augen wollten ihr gerade zufallen, doch sie riss sie wieder auf, als jemand an ihre Tür hämmerte.
Sie lag ganz still da. Vielleicht war es gar nicht an ihrer Tür. Bum bum bum. Doch, es war ihre, aber der Manager der Apartmentanlage konnte es nicht sein. Ihre Miete hatte sie pünktlich bezahlt. Wenn sie nicht reagierte, würde der Störenfried schon wieder abhauen. Sie schloss die Augen, das Hämmern ging allerdings weiter.
»Mist.« Sie setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Wahrscheinlich war es Malika, ihre Freundin von der Arbeit. Sie stand auf, lief zum Wandschrank und zog ihren kurzen roten Morgenmantel heraus. Bestimmt hatte sich das mit Ricky inzwischen rumgesprochen, und Malika wollte alles bis ins kleinste Detail wissen.
Obwohl ihre Freundin wirklich vorher hätte anrufen können. Stella band sich den roten Gürtel um die Taille und
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