Küssen ist die beste Medizin (German Edition)
beim letzten Mal gab es diesmal keine Tränen, kein Betteln, damit aufzuhören. Ein paarmal zuckte Freddie zwar zusammen, aber ansonsten ertrug er alles mit stoischer Gelassenheit.
Montana begriff, dass Freddie das alles schon einmal erlebt hatte, und sie fragte sich, was ihm wohl zugestoßen war. Warum war er operiert worden? Abgesehen von den Spuren, die die Schnittwunden hinterlassen hatten, wirkte er nicht deformiert.
Nach Freddie kamen noch drei andere Kinder an die Reihe. Als sie fertig waren, begleitete Simon Montana und Buddy aus dem Krankenhaus.
„Ich habe eine Idee“, sagte sie. „Könntest du uns unseren Kaffee besorgen, und ich hole dich dann gleich dort ab?“
Simon nickte. „Natürlich.“
Während er also zu Fuß ins Stadtzentrum ging, begaben sie und Buddy sich zu ihrem Auto. Fünfzehn Minuten später klemmte der Kaffee in den Kaffeehalterungen und sie fuhren den Berg hinauf.
„Es ist nicht weit“, erklärte sie Simon. „Ich kenne diese schöne Wiese, wo wir uns unterhalten können und Buddy sich ein bisschen austoben kann.“
Simon griff nach hinten und streichelte den Hund. „Ein bisschen Toben hast du dir wirklich verdient.“
Montana bog von der Straße ab und fuhr auf eine Art Schotterparkplatz.Nachdem sie Buddy rausgelassen hatte, holte sie noch eine Decke aus dem Kofferraum und ging zu der Wiese voran.
Die Sonne schien warm, und die gesamte Grasfläche war mit kleinen Blumen gesprenkelt. Das Summen der Insekten mischte sich mit dem Gesang der Vögel und einer leichten Brise. Es war ein perfekter Vormittag an einem perfekten Ort. Sie breitete die Decke aus und bedeutete Simon, sich zu setzen.
„Erzähl mir von Freddie“, sagte sie, als sie es sich gemütlich gemacht hatten. „Wie wurde er verletzt?“
„Sein Vater. Er hat ihn geschnitten. Das war nicht das erste Mal.“
Montana starrte ihn an. „Ich verstehe nicht.“
„Nicht alle Eltern sind wie deine. Es gibt welche, die sind geistig oder emotional gestört. Manche sind einfach nur grausam. Freddies Vater hat ihn gefesselt und dann mit seinem Jagdmesser geschnitten. Seinen Rücken, seine Brust. Diesmal hat er sich zum ersten Mal an seinem Gesicht zu schaffen gemacht.“
Die Brust wurde ihr eng, und sie bekam kaum noch Luft. Ihre Augen brannten. Aber anstatt dem nachzugeben, schaute sie an Simon vorbei dorthin, wo Buddy einen Schmetterling verfolgte und endlich einmal Spaß hatte, anstatt sich zu sorgen.
„Warum hat man ihm Freddie nicht schon vorher weggenommen?“
Simon zuckte mit den Schultern. „Das Kind hat nicht erzählt, wie es passiert ist, und so konnte er durch die Maschen schlüpfen.“
„Was sind das für Eltern, die so etwas tun?“
„Die schlechte Sorte. Es kommt öfter vor, als du glaubst.“
Ihr Blick wanderte zu seinen Narben, während ihr ein unmöglicher Gedanke in den Kopf kam. War etwa auch bei Simon ein Elternteil für seine Verbrennungen verantwortlich?
„Ich kann nicht glauben, dass so etwas in Fool’s Gold passieren kann“, flüsterte sie, denn sie fürchtete sich, ihn danach zu fragen.
„So etwas gibt es überall, aber wenn es dir hilft – Freddie undsein Vater waren erst seit ein paar Monaten in der Stadt. Die Besatzung der Notaufnahme hat es sofort erkannt und den Sozialdienst informiert. Noch am selben Tag wurde Freddie seinem Vater weggenommen.“
„Das freut mich. Ich hoffe, er kommt für lange Zeit hinter Schloss und Riegel.“
„Das hoffe ich auch.“
„Ich nehme an, du bekommst viele schreckliche Dinge zu sehen.“
„Manchmal ist die Geschichte, wie es zu den Verletzungen gekommen ist, schlimmer als die Wunden selbst.“
„Kannst du das überhaupt einmal vergessen? Verfolgt die Realität dich nicht auf Schritt und Tritt?“
„Ich bin daran gewöhnt.“
Montana war klar, dass jemand in seiner Position einen Weg finden musste, um Abstand zu gewinnen. Um abzuschalten. Aber wenn er allein war, musste er doch von den Geistern heimgesucht werden.
„Ich sollte dir das nicht erzählen.“ Er trank einen Schluck von seiner Latte und sah sie über den Becherrand hinweg an. „Das musst du gar nicht wissen.“
Eigentlich müsste Simon in seiner Anzughose, dem Hemd und der Krawatte deplatziert aussehen. Stattdessen wirkte er entspannter denn je. Der einzige Ort, an dem sie ihn zuvor vollkommen ungezwungen erlebt hatte, war das Krankenhaus. „Ich bin nicht so unbedarft, wie du glaubst“, erwiderte sie. Er lächelte. „Natürlich bist du das. Du bist ein
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