Küssen ist die beste Medizin (German Edition)
Gesicht erlitt. Dieser Arzt war in der Lage, ihm zu helfen. Aber was, wenn er damals aufgegeben hätte? Was, wenn er beschlossen hätte, dass alles viel zu schwer war?“
„Ich werde kein Arzt“, murmelte Daniel.
„Woher willst du das wissen?“
Lange sah er sie nur eindringlich an. „Es ist Ihnen wirklich ernst.“
„Ja, allerdings. Dir auch?“
„Ich glaube, jetzt schon.“
Er nahm ihr das Buch ab und ging damit zu seinem Sitzsack. Buddy folgte ihm und legte sich neben ihn.
Montana ging leise aus dem Raum, blieb jedoch in Hörweite.
Es muss schon ziemlich schlimm um mich stehen, wenn ich Kindern gegenüber derart loslege, dachte sie und seufzte. Auf einmal schien ihr Leben so kompliziert zu sein, und sie wusste nicht genau, was sie dagegen tun könnte. Sie brauchte einen Plan oder eine Massage oder vielleicht auch nur einen Muffin.
An die Wand gelehnt hörte sie zu, wie Daniel langsam vorlas. Wie immer buchstabierte er die Worte mehr, als dass er sie las. Das Tempo tut einem in den Ohren weh, und für ihn muss es entmutigend sein, dachte sie. Vielleicht sollte sie doch einmal mit jemandem darüber sprechen, ob man ihm nicht anders helfen konnte. Vielleicht funktionierte es mit dem Hund einfach nicht.
„Da … lie… gen … fünf… fünf… zehn … Schu… he … un… unter …“ Daniel unterbrach sich eine Sekunde. „Da liegen fünfzehn Schuhe unter dem Bett.“
Er las den Satz klar und ohne zu zögern.
Montana richtete sich auf, ermahnte sich allerdings, nicht allzu große Freude aufkommen zu lassen. Es war möglich, dass er sich zufällig an den Satz erinnerte. Aber auch wenn sie versuchte, ruhig zu bleiben, wusste sie doch, dass Lesen so geschah. In der einen Minute noch war da nichts weiter als eine Folge einzelner Laute, in der nächsten schon konnten die Laute zu Worten geformt werden.
„Fünfzehn Schuhe für fünfzehn Jungen“, fuhr Daniel fort. „Mr Smith wusste, dass sich alle freuen würden, wenn er ihnen von den Schuhen erzählte.“
Montana starrte auf die offene Tür und fragte sich, ob sie richtig hörte.
Daniel las weiter. Seine Stimme klang immer aufgeregter, während er im Buch fortfuhr. Auf einmal hörte sie einen Knall, dann kam er aus dem Raum gelaufen.
„Ich kann lesen!“, schrie er. „Ich lese Ihnen das Buch jetzt vor. Hören Sie zu.“
Damit klappte er das Buch am Anfang auf und begann die Geschichte von vorne. Er las ohne zu zögern, während Buddy sich besorgt neben ihn stellte, als wäre er nicht ganz sicher, ob dies nun eine gute oder schlechte Entwicklung war.
Montana strahlte. „Du hast es geschafft!“
„Es ist genauso wie das, was Sie vom Zielen auf den Korb gesagt haben. Am Anfang konnte ich es überhaupt nicht, aber jetzt ist es leichter.“ Er lief über den Flur zu einem Karren mit lauter Büchern, die in die Regale zurückgestellt werden mussten, suchte darin herum und zog eine Geschichte heraus, bei der es um ein einsames Häschen ging.
„Das einsame Häschen war ganz allein“, las er, wobei er mitten auf dem Flur stehen blieb. „Alles, was das einsame Häschen wollte, war ein Freund. Aber als es an den Teich hoppelte, wollten die Enten nicht mit ihm reden. Sie wandten ihm den Rücken zu, gingen ins Wasser und ließen ihn dort stehen.“
Daniel schaute auf, seine Augen glühten. „Ich kann lesen.“Montana lächelte. „Aber unbedingt! Du hast geübt und bist besser geworden, nur konntest du das nicht sehen, bis jetzt.“ Der Junge kam auf sie zu und schlang die Arme um ihre Taille. „Danke, dass Sie mich angebrüllt haben. Das hat wirklich geholfen.“
„Beim nächsten Mal werde ich daran denken.“
Lachend ließ er sie los und rannte wieder zurück zu dem Karren. „Helfen Sie mir, mehr Bücher zu finden, bitte. Ich will sie nach Hause mitnehmen und üben. Ich kann doch unserem Kater vorlesen, richtig? Der wird zwar nur einschlafen, aber das macht nix. Dann kann ich meine Mom überraschen.“
Noch ehe Montana ihn erreicht hatte, war er schon weitergelaufen und rief nach Mrs Elder. Jeder in seiner Hörweite erfuhr, dass er lesen konnte.
Montana hockte sich vor Buddy und streichelte sein Gesicht.
„Das hast du gut gemacht“, lobte sie den besorgten Hund. „Du bist ein guter Junge. Das ist der Grund, weshalb wir beide das machen, nicht wahr? Weil wir einem Kind helfen können, lesen zu lernen, oder in einem Seniorenheim jemanden zum Lächeln bringen. Du bewirkst etwas im Leben der Menschen und ich genauso. Blöde Männer
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