Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
nicht.
»Nick!«, rief Lisa quer durch die Bar und winkte. »Wo ist Louie?«
Er schaute zuerst zu Lisa, dann war sein Blick fest auf Delaney
gerichtet, während er auf sie zukam. »Sophie hat völlig aufgelöst wegen irgendwas angerufen«, erklärte er und blieb vor dem Tisch stehen. Er schwieg und richtete seine Aufmerksamkeit auf seine zukünftige Schwägerin. »Deshalb hat er mich gebeten, dich abzuholen.«
Lisa rutschte aus der Nische und stand auf. »Hast du was dagegen, Delaney nach Hause zu fahren?«
»Schon gut«, versicherte Delaney ihnen hastig. Sie schnappte sich ihre Häkelhandtasche und rappelte sich auf. »Ich komm schon allein klar.« Der Raum neigte sich leicht, und sie musste sich an der Wand abstützen. »So betrunken bin ich gar nicht.«
Nick sah sie entgeistert an. »Du bist total hinüber.«
»Ich bin bloß ein bisschen zu schnell aufgestanden«, behauptete sie und durchwühlte ihre pfirsichfarbene Handtasche nach einem 25-Cent-Stück. Sie musste ihre Mutter anrufen. Sie tat es nur ungern, aber wenn Gwen von Louies Anblick entsetzt wäre, würde ihr der von Nick den Rest geben.
»Du kannst nicht fahren«, beharrte Lisa.
»Ich wollte gar nicht … heeey!«, rief sie entrüstet hinter Nick her, der mit ihrer Tasche in der Hand die Bar durchquerte. Jeder andere Mann wäre Gefahr gelaufen, mit einer pfirsichfarbenen Damenhandtasche tuntig auszusehen. Nick nicht.
Lisa und sie folgten ihm nach draußen in die schwarze Nacht. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Mutter schon im Bett lag und schlief. »Verdammt, ist das kalt«, murmelte sie. Die Bergfrische ging ihr durch Mark und Bein. Sie verschränkte fröstelnd die Arme und musste fast rennen, um mit Nicks langen Schritten mitzuhalten. Sie war nicht mehr an Sommernächte in den Bergen von Idaho gewöhnt. In Phoenix sanken die Temperaturen bis auf 34 Grad – nicht auf 12 –, und sie konnte es kaum erwarten, dorthin zurückzukehren.
»So kalt ist es gar nicht«, widersprach Lisa, als sie an Delaneys gelbem Miata vorbeigingen, der am Straßenrand parkte. »Du bist eine richtige Memme geworden.«
»Du bist eine viel größere Memme als ich. Warst du schon immer. Weißt du noch, als du in der sechsten Klasse vom Klettergerüst gefallen bist und drei Stunden geheult hast?«
»Ich hab mir das Steißbein verstaucht.«
An Nicks schwarzem Jeep blieben sie stehen. »So schmerzhaft war das gar nicht«, behauptete sie. »Du warst bloß eine echte Memme.«
»Wenigstens hab ich nicht wie ein Baby geheult, als ich an der Highschool einen Frosch sezieren musste.«
»Ich hab Froschgedärme ins Haar gekriegt«, verteidigte sich Delaney. »Jeder würde heulen, wenn ihm Froschgedärme in die Haare spritzten.«
»Um Himmels willen.« Nick seufzte wie ein müder Priester und öffnete die Beifahrertür. »Womit hab ich das verdient?«
Lisa kippte den Sitz nach vorne. »Du hast bestimmt gesündigt«, scherzte sie und kletterte nach hinten.
Nick lachte, klappte die Rückenstütze für Delaney wieder zurück und hielt ihr die Tür auf wie ein echter Gentleman. Sie wusste ja, dass sie betrunken und ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt war, aber vielleicht hatte er sich wirklich geändert. Sie schaute ihn an; er war in Dunkelheit gehüllt und nur die untere Gesichtshälfte von einer Straßenlaterne erhellt. Sie wusste, dass er jede Frau ins Bett kriegen konnte, wenn er wollte, und ein paarmal in ihrem Leben war er ungewöhnlich nett zu ihr gewesen. Wie damals in der vierten Klasse, als sie mit einer Riesenpackung Kaugummi aus dem Supermarkt gekommen war und feststellte, dass ihr Fahrrad einen Platten hatte. Nick hatte darauf bestanden, es bis zu ihr nach Hause zu schieben. Er hatte seine Süßigkeiten mit ihr geteilt, und sie
hatte ihm ein paar Kaugummis abgegeben. Vielleicht hatte er sich wirklich verändert und sich in einen netten Kerl verwandelt. »Danke fürs Nachhausefahren, Nick.« Oder noch besser, vielleicht hatte er die schlimmste Nacht ihres Lebens vergessen. Vielleicht hatte er ja vergessen, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hatte.
»Jederzeit.« Ein Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen, als er ihr ihre Handtasche reichte. »Wildkatze.«
DREI
Delaney zog den Reißverschluss ihres Koffers zu und schaute sich ein letztes Mal in ihrem Zimmer um. Seit dem Tag vor zehn Jahren, an dem sie es verlassen hatte, war es unverändert geblieben. Die Rosentapete, der Spitzenbaldachin und ihre Musiksammlung waren noch genau so, wie sie sie
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