Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Delaney ihr das Haar auskämmte, es in fünf Sektionen abteilte und mit Schnabelklammern befestigte, lenkte sie ganz bewusst vom Thema Hennesey’s ab. Sie fragte Lanna über ihre Arbeit aus, und danach kam das Gespräch auf das große Eisskulpturen-Festival, das jedes Jahr im Dezember in der Stadt stattfand. Lanna zufolge hatte sich das Festival inzwischen zu einem Riesenereignis gemausert.
Als Kind war Delaney schüchtern und introvertiert gewesen, doch nach jahrelanger Erfahrung darin, ihren Kundinnen die Befangenheit zu nehmen, konnte sie mit jedem über alles reden. Sie konnte genauso gut von Brad Pitt schwärmen wie Anteil an Menstruationskrämpfen nehmen. Friseure waren Barkeepern und Priestern sehr ähnlich. Manche Kunden schienen nicht anders zu können, als Delaney ihr Herz auszuschütten und ihr schockierende Details aus ihrem Leben zu beichten. Friseursalongeständnisse waren nur eines der vielen Dinge, die sie in ihrem Leben vermisst hatte, nachdem sie die Bedingungen in Henrys Testament akzeptiert hatte. Sie vermisste auch die Konkurrenz und den Kameradschaftsgeist unter den Kollegen und die pikanten Klatschgeschichten, die Delaneys Leben vergleichsweise fad erscheinen ließen.
»Wie gut kennen Sie Nick Allegrezza?«
Delaneys Hand hielt inne; dann schnitt sie die Haarsektion in Lannas Nacken weiter stumpf. »Wir sind hier in Truly gemeinsam aufgewachsen.«
»Aber kannten Sie ihn sehr gut?«
Sie schaute fragend in den Spiegel, dann wieder auf ihre
Hände und schnippelte eine Führungslinie von links nach rechts. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand Nick wirklich kennt. Warum?«
»Meine Freundin Gail bildet sich ein, in ihn verliebt zu sein.«
»Mein herzliches Beileid.«
Lanna lachte. »Das macht Ihnen nichts aus?«
»Natürlich nicht.« Selbst wenn sie Nick für fähig hielte, nur eine Frau zu lieben, ging sie das nichts an. »Warum sollte es mir etwas ausmachen?«, fragte sie unschuldig, nahm die Klammer von Lannas Hinterkopf und befestigte sie am Latz ihrer Lederhose.
»Gail hat mir alles über Nick und Sie erzählt. Über das, was passiert ist, als Sie noch hier wohnten.«
Das wunderte Delaney nicht. Sie kämmte weiter Lannas Haare aus und schnitt die neue Sektion. »Welches Gerücht haben Sie denn gehört?«
»Dass Sie vor Jahren die Stadt verlassen mussten, um Nicks Baby zu bekommen.«
Delaney fühlte sich, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen. Sie hätte nicht nachfragen sollen. Als sie Truly verlassen hatte, waren diverse Gerüchte im Umlauf gewesen, aber das war ihr neu. Ihre Mutter hatte es nie erwähnt, was auch kein Wunder war. Gwen sprach nur ungern über den wahren Grund, warum Delaney Truly verlassen hatte. Ihre Mutter umschrieb diese Zeit immer mit den Worten: »Als du auf die Universität gegangen bist.« Delaney hatte keine Ahnung, warum ihr diese alten Geschichten jetzt noch zu schaffen machten. »Ach wirklich? Das ist mir neu«, gab sie zurück, senkte den Kopf und ließ Lannas Haarsträhnen durch die Finger gleiten. Sie setzte die offene Schere über ihrem Fingerknöchel an und schnitt eine gerade Linie. Sie konnte nicht fassen, dass alle
in der Stadt sie für schwanger gehalten hatten. Andererseits, warum auch nicht? Sie fragte sich, ob Lisa von dem Gerücht wusste – oder Nick.
»Tut mir leid«, unterbrach Lanna ihre Grübeleien. »Ich dachte, Sie wüssten davon. Da bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten.«
Delaney schaute auf. Lanna wirkte aufrichtig, aber Delaney kannte sie nicht und war sich nicht sicher. »Es war nur ein ziemlicher Schock zu hören, dass ich ein Baby bekommen habe, wo ich doch nie schwanger war.« Sie ließ eine weitere Sektion herab und kämmte sie aus. »Schon gar nicht von Nick. Wir mögen uns nicht einmal.«
»Das wird Gail beruhigen. Lonna auch. Die beiden konkurrieren um denselben Mann.«
»Ich dachte, sie wären befreundet.«
»Sind sie ja auch. Wenn man mit Nick ausgeht, klärt er einen sofort darüber auf, dass er an einer Heirat nicht interessiert ist. Lonna ist das ziemlich egal, aber Gail versucht, in sein Haus zu kommen.«
»In sein Haus zu kommen? Was meinen Sie damit?«
»Lonna sagt, Nick nimmt die Frauen, mit denen er schläft, nie mit zu sich nach Hause. Sie gehen in Motels oder sonst wohin. Gail glaubt, wenn sie ihn dazu kriegt, sie in seinem Haus zu lieben, kriegt sie ihn auch zu anderen Sachen. Zum Beispiel dazu, ihr einen großen Diamantring zu kaufen und mit ihr vor den Traualtar zu treten.«
»Nick
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