Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
während sie mit Haareschneiden beschäftigt war. Das wäre kein Kunststück gewesen.
Delaney stieg die Treppe wieder hinab und klopfte an der Hintertür von »Allegrezza-Bau«. Nicks Jeep stand nicht auf dem Parkplatz.
Die Tür schwang auf, und Ann Marie, Nicks Sekretärin, stand vor ihr.
»Hallo«, legte Delaney los. »Ich wollte mich nur bei Ihnen erkundigen, ob Sie heute vielleicht hier hinten jemanden gesehen haben.«
»Die Müllmänner haben heute Nachmittag den Müllcontainer geleert.«
Delaney bezweifelte, dass sie die Müllmänner verärgert hatte. »Helen Markham vielleicht?«
Ann Marie schüttelte den Kopf. »Die hab ich heute nicht gesehen.«
Was nicht zwangsläufig hieß, dass Helen ihr den Brief nicht hinterlassen hatte. Nach Delaneys Beitrag zur Parade war Helen vermutlich fuchsteufelswild. »Na schön. Danke. Aber wenn Sie hier irgendwen herumlungern sehen, sagen Sie mir dann Bescheid?«
»Klar. Ist was passiert?«
Delaney schob den Brief in ihre Manteltasche. »Nein, eigentlich nicht.«
Der alte Tanzsaal im kleinen Gutshof war mit Strohballen, orange-schwarzem Krepppapier und Hexenkesseln voller Trockeneis dekoriert. Am Eingang schenkte ein Barkeeper aus Mort’s Bier und Cola aus, und am hinteren Ende spielte eine Country-and-Western-Band auf. Von Halbwüchsigen, die zu alt waren, um auf trick-or-treat -Tour zu gehen, bis hin zu Wanetta Van Damme, die sich mit den zwei letzten Weltkriegsveteranen einen hinter die Binde kippte, hatten sich alle Altersklassen zur Halloweenparty eingefunden.
Als Delaney dort eintrudelte, hatte die Band ihre erste Nummer schon fast beendet. Delaney hatte sich einen schwarzen Satinrock, ein dazupassendes Bustier und schwarze Spitzenstrumpfhalter angezogen, den dazugehörigen Satinblazer aber zu Hause gelassen. Ihre schwarzen Stilettos hatten dreizehn Zentimeter hohe Absätze, und sie hatte zwanzig Minuten gebraucht, um ganz sicherzugehen, dass die Naht ihrer Strümpfe hinten an den Beinen schnurgerade verlief. Die Federboa hatte sie sich um den Hals geschlungen und die Handschellen in ihren Rockbund gesteckt. Von den toupierten Haaren und der dicken Schicht Mascara mal abgesehen, war der Großteil ihrer Bemühungen unter ihrem Wollmantel verborgen.
Delaney wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder nach Hause zu gehen und kopfüber ins Koma zu fallen. Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, gar nicht zu kommen. Sie war überzeugt, dass der anonyme Brief von Helen stammte, und war genervter davon, als sie zugeben wollte. Klar, sie hatte Helen ein kleines bisschen ausspioniert. Sie war in ihren Müllcontainer gestiegen und hatte ihre Abfälle durchwühlt, aber das war was anderes. Immerhin hatte sie keine psychotischen Briefchen hinterlassen. Wenn Delaney nicht fest mit Steve verabredet gewesen wäre, hätte sie sich nach einem heißen, duftenden
Schaumbad schon längst in ihrem Lieblingsflanellnachthemd ins Bett gekuschelt.
Delaney knöpfte sich den Mantel auf, während sie die Menschenmenge absuchte, die ein breites Spektrum an interessanten Kostümen darbot. Schließlich entdeckte sie Steve, der mit einem etwa zwanzigjährigen Hippiemädchen tanzte. Die beiden passten gut zusammen. Sie wusste, dass Steve sich auch mit anderen Frauen traf, aber das störte sie nicht. Er war für sie eine nette Abwechslung, wenn ihr mal die Decke auf den Kopf fiel. Und ein netter Kerl.
Delaney beschloss, den Mantel anzubehalten, und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Sie quetschte sich an zwei Coneheads und einer Nixe vorbei und rannte fast eine leicht gelbstichig geschminkte Star-Trek -Figur über den Haufen.
»Hey, Delaney«, rief die Figur über die Countrymusic hinweg. »Ich hab gehört, du bist wieder hergezogen.«
Die Stimme kam ihr irgendwie vertraut vor, und der Typ kannte sie offensichtlich. Sie stand echt auf dem Schlauch. Er hatte sich die Haare mit schwarzer Sprühfarbe angeklatscht und trug eine rot-schwarze Uniform mit einem Symbol auf der Brust, das einem A ähnelte. Sie hatte Star Trek nie geguckt und verstand ehrlich gesagt den Reiz daran nicht. »Ähm, ja. Ich bin seit Juni wieder hier.«
»Als du reinkamst, hat Wes gleich gesagt, dass du es bist.«
Delaney starrte ratlos in seine Augen, die so hell waren, dass man sie kaum noch blau nennen konnte. »O Gott«, stieß sie hervor. »Scooter!« Es gab nur eines, was noch unheimlicher war als ein Finley. Ein Finley, der als Trekkie verkleidet war.
»Ja, ich bin’s. Lange nicht
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