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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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ruhige Leute, die dort für
zwei Wochen, manchmal auch ein wenig länger gewohnt haben. Seit ein paar Tagen
wohnt dort eine Familie. Mit zwei kleinen Kindern. Von den Eltern hören wir
nichts, aber die Kinder weinen oft. Ganz leise, aber wir hören es doch. Meine
Frau hat die andere Frau einmal mit dem Kleinen im Treppenhaus getroffen. Die
war ganz komisch, die Frau. Hat nicht guten Tag gesagt. Nun glaubt meine Frau,
dass es vielleicht das kleine Kind war, das heute in der Zeitung stand. Aber
genau wissen wir das nicht.«
    »Sie selbst haben das Kind nicht gesehen?«
    Figueira schüttelte den Kopf. »Leider. Nein.«
    »Warum ist Ihre Frau nicht zu uns gekommen?«
    »Wir sind uns nicht sicher. Wir wollen auch keine falschen
Dinge machen. Schon gar nicht über Nachbarn reden.« Der Mann sprach leise und
drückte damit seine Unsicherheit darüber aus, ob der Besuch bei der Polizei
richtig war. »Ich selbst habe nur den Vater gesehen. Der hat aber immer den
Kopf weggedreht und auch nicht richtig gegrüßt. Wenn ich ›Moin‹ gesagt habe,
hat er irgendwas mit ›Gott‹ gemurmelt. So genau habe ich das nicht verstanden.«
    Mommsen erinnerte sich, dass Boris Kummerow, sollte es
sich um ihn handeln, jetzt im Oberfränkischen lebte. Womöglich sagte man dort
»Grüß Gott«, und der Thüringer hatte diese Gewohnheit angenommen.
    Holtgrebe war aufgestanden und hatte das Bild
Kummerows vom Schreibtisch genommen, das ihnen inzwischen aus Flensburg
zugegangen war. Er zeigte es dem Mann.
    »Sehen Sie es sich genau an, Herr Figueira. Könnte das
Ihr Nachbar sein?«
    Der Portugiese drehte das Bild in verschiedene
Richtungen und musterte es konzentriert. »Genau kann ich es nicht sagen«,
entschied er schließlich, »aber nein kann ich auch nicht sagen.« Dann nannte er
den beiden Polizisten die genaue Adresse. »Der Mann ist vorhin weggefahren. Er
hatte eine Reisetasche dabei. Und die Mutter ist mit dem großen Kind weg. Zu
Fuß. Das kleine Kind haben wir nicht gesehen. Heute noch nicht.«
    Holtgrebe bedankte sich und bat Figueira, einen Moment
vor der Tür zu warten. Dann beratschlagte er sich mit Mommsen. »Wie wollen wir
jetzt vorgehen? Sollen wir uns mit der Dobermann abstimmen?«
    »Vernünftig wäre es, das SEK anzufordern«, überlegte Mommsen. »Das müssten wir über
Flensburg machen. Eine weitere Option wäre, die Wohnung durch das Mobile
Einatzkommando überwachen zu lassen. Die Spezialisten könnten gegebenenfalls
auch zuschlagen und die zweite Geisel befreien, wenn sich eine geeignete
Möglichkeit ergäbe. Es hat den Anschein, als wäre Rotraud Kiesberger nicht
gewaltbereit, zumindest nicht in dem Maße wie ihr Mittäter. Können wir uns
darauf verlassen, dass er wirklich abgereist ist?« Mommsen schwieg einen
Moment. »Ich habe einen Kollegen in Husum«, erklärte er schließlich Holtgrebe,
»der wäre jetzt schon unterwegs, um die Wohnung im Zweifelsfall auch im
Alleingang zu stürmen.«
    Der Schleswiger Kommissar lachte. »Nenne das Kind doch
beim Namen. Du meinst sicher Große Jäger. Über den Küsten-Columbo schmunzeln
doch alle in der ehemaligen Polizeidirektion Nord. Ich glaube, dein Chef ist
der Einzige, der den im Griff hat.« Holtgrebe gab sich einen Ruck. »Ich rufe
jetzt die Dobermann an«, beschloss er und setzte dieses Vorhaben gleich in die
Tat um.
    Mommsen lauschte dem Bericht, weil Holtgrebe das
Telefon auf Mithören geschaltet hatte.
    »Tssstsss«, zischte die Hautkommissarin ins Telefon.
»Was glauben Sie, Holtgrebe, wo Sie sind? Bei der Bundeswehr fordert der
General Verstärkung an. Wir sind die Polizei. Und nicht in Chicago oder
Hamburg, sondern auf dem platten Land. Ist Ihr Zeuge glaubwürdig?«
    »Den Eindruck kann man gewinnen«, antwortete Holtgrebe
ausweichend.
    »Dann klingt es so, als wäre der Unterschlupf
verlassen. Kümmern Sie sich zuerst … Ach, was. Das mache ich selbst. Ich werde
veranlassen, dass der Schleswiger Bahnhof und die Bushaltestelle überwacht
werden. Aber unauffällig. Zur Not fordern wir Unterstützung von den
Zivilfahndern des Bezirksreviers Schleswig an. Die Schutzpolizei hilft uns
bestimmt. Nehmen Sie Mommsen mit und fahren Sie zum vermeintlichen
Unterschlupf. Eruieren Sie, ob die Vögel ausgeflogen sind. Aber mit der
gebotenen Vorsicht. Haben Sie das kapiert?«
    »Ja.«
    »Sicher?«
    Mommsen holte tief Luft und wollte sich einmischen,
aber Holtgrebe bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand, bevor mögliche
Unmutsäußerungen Mommsens durchs Telefon nach Flensburg

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