Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Zigarette in
die Luft und ließ sich wiederum genüsslich von der Bedienung Feuer geben, bevor
er auf Stuhrs erstaunten Gesichtsausdruck reagierte.
»Wundern
Sie sich bitte nicht, dass mich die Kellnerin so freundlich bedient. Sie zeigt nur
ihre Dankbarkeit. Ich habe sie erst am letzten Wochenende wieder vernascht, und
es scheint ihr gefallen zu haben. Ein ordentliches Mädel, allerdings war es anfänglich
ziemlich anstrengend mit ihr.«
Stuhrs Stirn
kräuselte sich. Schneider schien das zu bemerken.
»Verstehen
Sie mich bitte nicht verkehrt. Wissen Sie, ich komme gestresst mit praller Brieftasche
und dicker Hose am Wochenende in Sankt Peter an, während die Bedienung jeden Tag
auf der Terrasse wie auf einem Catwalk zwischen den Neureichen herumtingelt. Soll
ich nach meiner anstrengenden Arbeitswoche auch noch nachts bei ihr den Supermann
spielen? Nein, einen solchen Stress kann und will ich mir nicht erlauben. Ich habe
ihr gesagt, wenn sie wirklich etwas von mir will, dann muss sie sich schon ein wenig
anstrengen und ihren Unterkörper in Wallung bringen. Das hat sie auch irgendwann
begriffen.«
So genau
wollte Stuhr das eigentlich nicht wissen, aber Schneider setzte noch einen drauf.
»Aber es
ist schon okay mit ihr. Sie ist ein geradliniges Mädchen, die Verena. Sie zog zwar
ihr eigenes Ding durch, aber immerhin habe ich die Dame mehrfach zum Zappeln bekommen. Ist
also kein Wunder, dass Verena mich heute so zuvorkommend bedient.«
Stuhr war
fassungslos und drehte sich ungläubig weg. Einen solchen Chauvinisten hatte er schon
seit zwei Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Schneider musste einer von diesen Überfliegern
sein, die wie Raketen hochschießen, von denen man aber nach dem Verglühen nicht
einmal mehr die Aschenreste findet.
Diese Zeitgenossen
verabscheute Stuhr. Aus welchem Grund sollte er sich Schneider länger antun?
Ein neues
Getränk senkte sich auf Schneiders Tisch. Lustvoll ergriff er es und rückte mitsamt
Stuhl näher.
»Sie sind
ebenfalls ein attraktiver Mann. Den Stoßverkehr mit Damen dieser Preisklasse müssen
Sie doch auch kennen. Oder etwa nicht?«
Stuhr zuckte
desinteressiert mit den Schultern. Er liebte ja seine Jenny Muschelfang, wenngleich
sie momentan seit langen Monaten nicht mehr zusammen waren. Das ging Schneider aber
nichts an.
Der ließ
aber nicht locker. »Verstehen sie mich bitte nicht verkehrt, aber die Damen fliegen
nun einmal auf erfolgreiche Geschäftsleute wie mich. Ich habe mehr als ausreichend
Kohle, zwei Porsche und einen eigenen Flieger.«
Stuhr konnte
sich das gut vorstellen. Jede Nacht an einem anderen Hintern zu liegen, das mochte
für viele männliche Geschlechtsgenossen von Schneider ein hehres Ziel sein. Stuhr
dagegen sehnte sich nach einer Frau, mit der er es einfach gut aushalten konnte.
Wie mit Jenny im letzten Sommer. Jetzt war sie weg.
Schneider
musste Stuhrs Stimmungslage erfasst haben, weil er jetzt von seiner Euphorie herunterkam
und auf ihn einging. »Sie machen einen traurigen Eindruck, als wenn sie verlassen
worden sind. Aber was soll es? Es gibt genug andere. Die Frauen, die ich knacke,
die haben alle ihre Reize. Aber kann einen das auf Dauer glücklich machen?« Er stürzte
den nächsten Drink hinunter.
Die Antwort
trieb Stuhr in Ratlosigkeit. Glück? Was ist schon Glück? Stuhr blickte tief in sein
Weizenbier, um aus dem Schaumkranz eine Antwort herauszulesen. Es gelang ihm nicht.
Stuhr zuckte
mit den Schultern. Dieser Schneider war ein imposanter Kerl und verströmte eine
gewisse Geradlinigkeit, wenngleich ihm die Geschmacksrichtung nicht ganz passte.
Immerhin war er fast so groß wie Stuhr, aber Schneiders Schultern wirkten noch ein
wenig breiter. Sein gebräunter Teint war ausgesprochen gepflegt, und seine Kleidung
von lässiger Eleganz. Stuhr schätzte ihn auf knapp 50, aber zehn Jahre mehr oder
weniger würden seine Ausstrahlung kaum verändern. Er musste mehr als wohlhabend
sein. Schon verständlich, dass sich attraktive Frauen wie die Bedienung von ihm
angezogen fühlten.
Die Bedienung,
die offenbar Verena hieß, stellte den nächsten Drink ab.
Schneider
zog lustvoll an seiner Zigarette. »Ein guter Freund, der nicht enttäuscht.«
Stuhr verstand
das nicht. »Sie spielen auf die Bedienung an?«
»Nein, auf
meine Overstolz. Das ist ein alter Werbespruch der Kölner Unternehmerfamilie Overstolzen,
stammt noch von vor dem Krieg. Das ist meine Zigarettenmarke und wird sie auch bleiben,
solange ich nach Luft schnappen
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