Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
nicht alle bei uns in der Landesverwaltung. Aber ich bin
von Geburt Kriegsjahrgang. Da hat man gelernt zu überleben.«
Auf den
skeptischen Blick von Dreesen hin beeilte sich Brodersen, eine Ergänzung hinzuzufügen.
»Baujahr 1953, Endzüge Koreakrieg.«
Dreesen
musste lächeln. Brodersen war ein feiner Kollege, mit dem man viele Attacken gegen
die Landesverwaltung ins Leere laufen lassen konnte. »Schon gut. Am Mittwoch habt
ihr aber mit diesem Antrag zur Kohlendioxidlagerung im Meeresgrund der Nordsee einen
Haufen stinkenden Unrat auf meinem Schreibtisch platziert. Wie kamt ihr auf die
Idee, dass ausgerechnet ich diese hochkomplexe Antragsmaschinerie der Energiewirtschaft
verwaltungstechnisch zum Stillstand bekommen würde?«
Brodersen
zeigte sich ungeniert. »Wenn nicht du, Dreesen, wer denn sonst?«
Das Lob
gab Dreesen umgehend zurück. »Das hättest du auch gekonnt. Da bin ich mir sicher.«
Brodersen
wiegelte ab. »Früher musste ich immer die Schuhe von meinem großen Bruder tragen.
Seitdem hatte ich nie mehr Lust, in den Schuhen eines anderen Mannes zu laufen.
Ich bin meinen eigenen Weg gegangen und als Amtsrat bin ich nicht unzufrieden. Aber
ich weiß, wie es ist, wenn einem Schuhe zu groß sind. Nein, das war schon Spitzenklasse,
wie du diesen Vorgang abgewürgt hast.«
Zufrieden
leerte Dreesen den Pieper.
Brodersen
hakte nach. »Sag mal, warum hast du uns eigentlich geholfen? Du warst doch die ganze
Zeit für eine Beteiligung am Projekt, und für meinen Chef wirst du aus bekannten
Gründen wenig übrig haben.«
»Wegen Hesselbein«,
zischte Dreesen voller Verachtung. »Der Karrieretyp, den sie mir nach dem Regierungswechsel
vor die Nase gesetzt haben.«
»Hesselbein?
Was hat der dir denn getan?« Brodersen wurde neugierig.
»Nun, ich
habe das ganze letzte Jahr hart daran gearbeitet, dass ich an einem Projekt zur
Errichtung einer unterirdischen CO 2 -Lagerstätte unter dem Watt mitarbeiten
kann. Ich war deswegen mehrfach zu Vorbereitungstreffen in Berlin. Diese Sitzungen
in dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die haben richtig was gebracht. Ganz anders
als sonst.«
»Etwas gebracht?
Die Mitarbeit in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe? Das kann nicht dein Ernst sein,
Dreesen.«
»Doch, doch.
Du weißt, wie knapp ich nach der Scheidung von meiner Frau bin. Reisen kann ich
mir seitdem ausschließlich dienstlich leisten. Mit den Kollegen in der Arbeitsgruppe
habe ich deswegen endlos viele Aktivitäten in ganz Europa geplant. Da kann man mit
dem erhöhten Auslandstagegeld richtig gut Urlaub machen.«
Brodersen
wiegelte ab. »Und das hätte deine Hausspitze mitgemacht?«
Dreesen
war sich sicher. »Klar, für den Ministerpräsidenten wären schließlich ebenfalls
schöne Reisen abgefallen, weltweit übrigens. Man muss als Regierungschef gelegentlich
dem Mief vor der Haustür entfliehen, um globalere Sichten entwickeln zu können.«
Große Worte
von Dreesen, und deswegen setzte Brodersen interessiert nach. »Wo wart ihr denn
überall auf dem Globus?«
Die Frage
behagte Dreesen nicht, und so antwortete er unwirsch. »Nirgends.«
Auf den
erstaunten Blick von Brodersen legte er nach. »Sie haben mir den Hesselbein vor
die Nase gesetzt. Einer dieser jungen Überflieger mit dem richtigen Parteibuch.
Dabei zeigt der Name doch schon, dass er bei uns nichts zu suchen hat.«
Dreesen
war die Verachtung für Hesselbein deutlich anzumerken.
Brodersen
konnte nicht folgen. »Was hat der Hesselbein damit zu tun?«
»Hesselbein
hat ungetrübt von jeglicher Fachkenntnis angeordnet, dass in allen länderübergreifenden
Gremien zukünftig nur noch Vertreter des Höheren Dienstes teilnehmen sollen. Damit
das Land angemessen repräsentiert wird, hat er gesagt. Da war ich natürlich außen
vor.«
»Und das
hast du dir von einem Traubenlutscher aus Hessen gefallen lassen?« Jetzt wollte
Brodersen die ganze Geschichte hören.
»Natürlich
nicht«, entgegnete Dreesen. »So geht man mit einem norddeutschen Oberamtsrat nicht
um. Ich musste notgedrungen Abwehrmaßnahmen ergreifen. So bin ich auf meine Art
in den Landtag gezogen.« Dreesen grinste mit einer Selbstzufriedenheit, die nur
gestandene Oberamtsräte empfinden können.
Brodersen
konnte seine Neugier kaum zügeln. »Du hast mit den Landespolitikern geredet? Das
wird dir aber schaden. Nun lass mich nicht so zappeln.«
»Nein. Ich
bin zum Essen in die Kantine vom Landtag gegangen und habe mich immer an Tische
gesetzt, an denen Abgeordnete in der Nähe saßen. Dann
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