Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
kann.«
Vorsichtig
wagte Stuhr einen Einschub: »Die Bedienung. Ich meine Ihre Verena. Sie sind noch
zusammen?«
Schneider
nahm einen tiefen Zug, bevor er selbstgefällig räsonierte. »Mit Verena? Nein. Nur
weil man ab und zu mal ein Glas Milch trinken möchte, muss man nicht gleich eine
ganze Kuh kaufen. Schauen sie sich auf der Terrasse um. Es gibt viele schöne Frauen
in Sankt Peter. Deswegen fliege ich hierher und nicht nach Holzkirchen oder Hammerfest.«
Vorsichtig fragte Stuhr nach. »Hat
denn Ihre Verena kein Problem damit?«
Schneider
sah ihn ungläubig an. »Verena? Warum, die lebt doch von Menschen wie mir. Was meinen
Sie, warum sie mich so freundlich umgarnt? Die weiß genau, was sie will. Und was
nicht.«
Schneider
prostete ihm augenzwinkernd zu.
Stuhr musste
aufpassen, dass er sich nicht verschluckte.
Mahlzeit
Dienstlich zu tun gab es in der
Staatskanzlei heute nichts mehr. Selbstgefällig ordnete Oberamtsrat Dreesen seine
Schreibutensilien entlang der oberen Schreibtischkante. Noch eine halbe Stunde,
dann würde er an diesem sonnigen Freitagnachmittag ausstempeln. Er freute sich mächtig
auf das Wochenende, denn am Sonntag würde er endlich wieder einmal in weiblicher
Begleitung an der See entspannen.
Das Telefon
schreckte ihn hoch. Wer wagte es, ihn am heiligen Freitagnachmittag noch anzurufen?
Im Display erkannte er, dass ihn sein Kollege Brodersen aus dem Wirtschaftsministerium
anrief. Erfreut nahm Dreesen den Hörer ab, denn ein kurzes Schwätzchen würde ihm
die Wartezeit bis zum Ausstempeln verkürzen.
»Moin, Dreesen.
Ist die Langeweile bei euch noch auszuhalten?«
Sofort brauste
Dreesen auf: »Was soll das denn heißen? Ich habe eine stramme Woche hinter mir.
Euren ganzen Mist wegen dieser unterirdischen Kohlendioxid-Lagerstätte habe ich
abgeeselt. Vor so viel Verwaltungskunst müsste eure gesamte Abteilung auf Knien
vor mir herumrutschen. Einschließlich eurem Obersack von Abteilungsleiter.«
Brodersen
konnte in der Tat manchmal ein wenig querulatorisch sein, dann musste man ihn schnell
mit einem harten Spruch zur Räson bringen. Aber ungerade war sein Kollege nicht.
Natürlich hatte er den Nagel irgendwie auf den Kopf getroffen, denn den gesamten
Wochenanfang war Dreesen von morgens bis abends auf seinem Bürosessel hin- und hergerutscht,
um sich zu überlegen, wie er seinen sorgfältig geplanten Sonntagsausflug mit Jeanette
Muschelfang sauber unter Dach und Fach bringen konnte. Er wollte ihr endlich das
Du anbieten. Jenny. Das klang schon viel vertrauter als Jeanette und Sie.
Brodersen
zeigte sich ausgesprochen milde. »Komm ’runter, Dreesen, so war das nicht gemeint.
Mein Chef hat mir sogar zwei Gehirnschrauben in die Hand gedrückt. Soll ich als
Dank für deine Verwaltungskunst mit dir zischen. Er musste leider schon weg. Wann
haust du denn ab?«
»Halbig
vier«, antwortete Dreesen unwirsch, denn er wusste genau, wohin Brodersens Abteilungsleiter
entschwunden war. Er vergriff sich seit einiger Zeit an Dreesens ureigenstem Fleisch
und Blut, an der Kollegin Schlenderhahn. Letzten Herbst hatte Dreesen noch den Finger
an ihr gehabt, aber dann hatte Brodersens Abteilungsleiter unerwartet dazwischen
gestochen . Jus primae noctis , hatte ihm Brodersen einmal augenzwinkernd beim
Vorübergehen zugezischt. Das Recht der ersten Nacht. Sein anderer Spruch schmerzte
ihn mehr: Ober sticht Unter. Nicht die Wortwahl tat weh, sondern
die Machtlosigkeit gegen Brodersens Abteilungsleiter.
Brodersen weckte ihn aus den Gedanken.
»Weißt du was? Ich komme schnell noch einmal in dein Büro zur offiziellen Dankesbekundung.«
Das kam
Dreesen durchaus entgegen. Er willigte ein, denn ein neutraler Augenzeuge wie Brodersen
wäre genau der Richtige, um seine Gegenantwort zu ›Ober sticht Unter‹ in Form von
Jeanette Muschelfang in die Welt zu pusten.
Nur wenig später stand Brodersen
mit zwei Piepern vor ihm, wie man im Norden die kleinen Miniatur-Schnapsflaschen
nennt. »Küstennebel, Dreesen. Ist gut, den kann man nicht riechen. Mohltied.«
Dreesen
konnte sich das Grinsen über den Trinkspruch nicht verkneifen, als wenn Brodersen
einen Gruß zur Mahlzeit entbieten würde. Dreesen entgegnete mit seinem Klassiker:
»Prostata.« Dann kippte er den Schnaps herunter. »Keine Angst, Brodersen, aus dir
mache ich noch einen richtigen Verwaltungsbeamten.«
Sein Kollege
aus dem Wirtschaftsministerium freute sich. »Eigentlich bin ich eher friedlich gesinnt,
das sind ja nun wahrlich
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