Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
zwar, den Mastino abzuschütteln, aber der Hund verbiss sich immer tiefer
in seinem rechten Oberarm. Schafrott heulte auf.
Das war
kein sonderlich schöner Anblick, aber Mitleid entwickelte sich nicht bei Olli. Er
wollte nur noch weg von hier. Mit Jelena. Er ergriff die Hand der Rumänin und zog
sie wieder hinter dem Tresen hervor.
Der Hund
biss und zerrte an Schafrott herum. Sollte sich Olli einmischen? Nein. Sein Herrchen
schien strikt die Stellung an der Tür zu halten, was Olli verwunderte. Er war vermutlich
der Einzige, der diese Kampfmaschine bändigen konnte. Wenn er wollte.
Olli zog
Jelena noch fester an sich heran. »Jelena, komm, wir hauen ab hier.« Ohne eine Antwort
abzuwarten, lief er mit ihr Hand in Hand zum Eingang. In diesem Moment wurde die
Tür aufgerissen, und vier junge kräftige Burschen in Muskelhemden stürmten mit entschlossenen
Mienen in das Etablissement. Olli war sich nicht sicher, auf wessen Seite die standen.
Jelena wand
sich energisch aus Ollis Arm und stoppte die Meute wild gestikulierend. Es folgten
einige harte Worte auf Russisch, bevor sie auf Schafrott zeigte. Die jungen Männer
tobten hasserfüllt an ihnen vorbei. Olli war sich nicht sicher, ob der Hund nicht
der angenehmere Peiniger für den tumben Schafrott war.
Olli drängte
Jelena zum Ausgang. An der Eingangstür wurde er unerwartet von dem Kampfhundbesitzer
festgehalten, dem die mögliche Hyperaktivität seiner Bestie offensichtlich kein
Kopfzerbrechen bereitete.
»Du hast
in Hamburg geschnüffelt, richtig? Hau ab, am besten weit weg von Kiel. Halt dich
versteckt, deine Eule am besten auch. Wir kümmern uns um Schafrott.«
Nichts wie weg! Olli drängte Jelena
weiter durch den Flaschenhals des engen Flures. Endlich standen sie wieder auf der
Straße. »Komm, wir hauen ab!«
Im Hintergrund
brüllte Schafrott auf, und wieder war wütendes Hundegebell zu hören. Im Nevada schien
es jetzt richtig zur Sache zu gehen.
Olli hastete
mit Jelena zum nächsten Taxistand.
Sie zögerte
nur kurz, dann nickte sie und fiel Olli um den Hals.
Er drängte
die junge Rumänin neben sich auf die Rückbank des Taxis und verriegelte die Tür.
Als sie sich an ihn herankuschelte, begann sich für Olli die Welt andersherum zu
drehen, denn sie küsste ihn zärtlich.
Dem Fahrer
schien das an diesem Ort nicht neu zu sein. Er fuhr einfach los. Irgendwann würde
er schon sein Ziel erfahren.
Hamburger Deern
Stuhr fühlte sich wohl in seiner
neuen Wohnung, obwohl noch die Gardinen angebracht werden, der neue Bücherschrank
zusammengebaut und Bilder aufgehängt werden mussten. Natürlich nicht dieses Nolde-Plakat
von der Ausstellung in Emden. Das erinnerte ihn viel zu sehr an den gemeinsamen
Besuch im letzten Sommer mit Jenny.
Es tat ihm
ein bisschen leid für Olli gestern Abend, aber Stuhr war schließlich nicht der Onkel
zum Bespaßen. Stuhr hatte einfach keine Lust mehr gehabt, mit Olli noch auf Trebe
zu gehen, obwohl der nach seinem Zusammentreffen mit Schafrott mächtig am Flattern
war.
Stuhr wollte
endlich in die Gänge kommen, und so verschloss er die Tür zu seinem neuen Zuhause
sorgfältig, bevor er sich an den Karton aus dem schwedischen Möbelhaus machte. Er
würde sich keine Verzögerungen mehr zugestehen.
Der Aufbau
des Bücherregals bereitete ihm keine Schwierigkeiten, denn dieses Regal hatte er
schon vor mehr als 30 Jahren einmal zusammengezimmert. Ein wenig musste er über
sich lächeln, denn andere Männer in seinem Alter würden nicht wie er Regale aus
geschredderten Seifenkisten kaufen, sondern gediegenere Möbel anschaffen, in denen
sich die Partnerin wohlfühlen konnte.
Vermutlich
war Stuhr tatsächlich ein wenig anders gestrickt als seine Alterskollegen. Als Dreesen
noch bei seiner Olsch zu Hause gewohnt hatte, war für Stuhr kaum die Enge von deren
Möbelbarock auszuhalten. Jennys Wohnung dagegen war ein beeindruckender großer Altbau,
und zu jedem Möbelstück konnte sie eine Geschichte erzählen. Ob die alle stimmten?
Stuhr stemmte
jetzt das fertige Regal gegen die Wand. Nun gut, er hatte früher ganze Regalwände
mit Büchern besessen. Dieses Mal fiel die Bestückung ein wenig spärlicher aus. Nach
langem Überlegen entschied er, die Telefonbücher im untersten Regal zu versenken,
dann könnte er sich vermutlich das nervige Sichern des Regals ersparen.
Diese 20
Telefonbücher bildeten gemeinsam mit den über die Zeiten geretteten sieben Bänden
von Meyers Großes Konservationslexikon von 1902, die seinen
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