Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
kleinen Ort die Welt still, als Petra Bester die Halle
betrat. Alle Hälse reckten sich, um den kessen Marsch der Verlegerin an die Bar
zu verfolgen, an der sich Stuhr an seinem Mineralwasser festklammerte.
Selbstbewusst
trumpfte sie in Kampfkleidung vor ihm auf: hautenges Kleid, schwarze Nylonstrümpfe
und hochhackige Stilettos. In der Dorfchronik würde ein neues Kapitel aufgeschlagen
werden müssen.
Zum Glück
war sie versöhnlich. »Schön, Sie einmal privat zu treffen, Herr Stuhr. Nennen Sie
mich Petra, bitte?«
Was hatte
sie vor? Stuhr nickte ungläubig. »Gerne, Petra, ich bin Stuhr.«
Petra Besters
Lächeln entging Stuhr nicht, aber er mochte seinen Vornamen nun einmal nicht besonders.
Er legte nach. »Alle guten Freunde sagen Stuhr zu mir, glauben Sie mir.«
Kurzerhand
schnappte sich Petra ein Glas Sekt, stieß mit seinem Mineralwasser an und hauchte.
»Nicht Sie, Stuhr. Du.« Dann stieß sie mit ihm an, und nachdem sie einen kleinen
Schluck genippt hatte, küsste sie ihn mit ihren weichen Lippen. Der ganze Saal musste
das mitverfolgt haben, selbst Dreesen. Stuhr bekam weiche Knie, denn Kommissar Hansens
Kollege Fingerloos schien endgültig bei ihr abgeschrieben zu sein.
Petra Bester
gab Entwarnung. »Das ging gar nicht anders, Stuhr, sonst würden wir als Fremde viel
zu sehr auffallen. Wo ist denn Jenny? Oder herrscht immer noch Funkstille?«
Petra konnte
aber auch Fragen stellen. »Wir schreiben uns ab und zu. Warum fragst du?«
Ihre Antwort
war nicht ohne Spott. »Ach, nur so. Freut mich für dich, eine Brieffreundschaft
ist ja immer etwas Besonderes. Geht viel besser mit den Handys heutzutage, da muss
man nicht mehr so viel schreiben.«
Warum musste Petra in seine Gefühlswelt
hineinhacken? Las sie denn keine Frauenromane?
Jetzt hakte
sich Petra auch noch bei ihm ein. »Nun gut, dann darf ich heute deine Begleitung
spielen.«
Stuhr schossen
tausend Gedanken durch den Kopf. Was würde Jenny sagen, wenn sie die beiden Arm
in Arm sehen würde?
Zum Glück
drängelte sich Dreesen zwischen sie und küsste unaufgefordert Petras Hand.
»Gestatten,
Oberamtsrat Dreesen. Ich bin sozusagen der Anlass heute.«
Stuhr bemerkte,
dass Dreesen fast auf den Zehenspitzen stand, um stattlicher zu wirken. Was wollte
Jenny von dem?
Stuhr blieb nichts übrig, als Petra
als alte Bekannte vorzustellen. Dann beglückwünschte er das Geburtstagskind, indem
er ihm dreimal kräftig auf die Schulter schlug. Es sollte ihm wehtun, aber Dreesen
blieb tapfer und verzog keine Miene. Als höflicher Gastgeber zeigte er zur Bar und
zum Buffet. »Bedient euch, es ist genug von allem da.«
Stuhr dankte.
»Sag einmal, Dreesen, warum feierst du eigentlich mitten in der Woche? Ist das bei
euch im Dorf so üblich?«
Dreesen
zog Stuhr ein wenig zurück, damit Petra nicht mithören konnte. »Hier auf dem Land
geht das gar nicht anders, Stuhr. Am Wochenende würden sich alle dermaßen die Birne
dicht ziehen, dass sie keine Verwandten mehr kennen. Dann kotzen die alles voll.
Ich habe wenig Lust, morgen den ganzen Schweinkram wieder aufzufeudeln. Im Übrigen
wird es für mich erheblich billiger. Sie können nicht so viel saufen, weil sie morgen
alle wieder zur Arbeit gehen müssen.«
Aha, Dreesen
wollte also Geld sparen, daher wehte der Wind. Stuhr klopfte Dreesen noch einmal
augenzwinkernd auf die Schulter. »Komm Dreesen, ich gebe dir einen aus, es ist schließlich
dein Ehrentag.«
Dreesen
schüttelte aber standhaft den Kopf. »Den Teufel werde ich tun. Wenn ich mit jedem
von euch Schluckspechten einen mittrinke, dann bin ich am Sonntag noch betrunken.
Saufen sollen die jungen Burschen, die können das viel besser ab als wir.«
Was nicht ganz stimmte, denn in
der mittleren Reihe waren mehrere Jugendfußballer schon erheblich am Schwanken.
Stuhr war nicht entgangen, dass deren Tisch schon zum zweiten Mal umgestürzt war,
was der Stimmung in der Halle aber keinerlei Abbruch tat.
Stuhr ritt
nun der Teufel. »Jenny nicht gekommen, Dreesen?«
Die Frage
schien für ihn unerwartet zu kommen. Schwankend drehte er sich um, aber ohne Ergebnis.
»Jeanette? Ich sehe sie nicht. Du? Deine Begleitung ist doch viel reizender.«
Stuhr konnte
mit einem harten Griff gerade noch verhindern, dass Dreesen unter dem Stehtisch
seinen Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger schob, um anzudeuten, wie scharf
er Petra fand.
Sie musste
es mitbekommen haben, denn ihre Fassade lächelte nur noch kalt.
Dreesen
verabschiedete sich, um seine Runde
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