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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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gewaltigen Tritt in den Magen versetzt. Sie misstraute dem Mann, der ihr das alles hätte geben können, weil sie unfähig war, bedingungslos zu lieben und sich einfach fallen zu lassen.
    Immer noch schwieg Tenes, wodurch ihre schweren Gedanken fast unerträglich wurden. Wütend sagte sie: »Ich bin vielleicht nicht gerade die perfekte Kollegin, aber reden kann man trotzdem mit mir!«
    Erstaunt schaute er sie an. Seine Augen waren bernsteinbraun und schauten so eindringlich, wie Anke es noch nicht an ihm bemerkt hatte. So kalt, wie sie ihn eingeschätzt hatte, wirkte er gar nicht mehr.
    »Entschuldigung, ich wollte nicht unhöflich sein«, meinte er mit seiner sonoren Stimme. »Ich habe mich darum bemüht, einem anderen Partner zugeteilt zu werden, weil ich es mit Esther nicht mehr ausgehalten habe. Und da hat Kullmann den Vorschlag gemacht, dass ich mit Ihnen zusammenarbeiten soll!«
    »Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Sie machen auf mich eher den Eindruck, als wären Sie der geborene Einzelkämpfer«, drückte Anke ihre Bedenken vorsichtig aus.
    Erik lächelte, was sein Gesicht sympathisch aussehen ließ.
    »Das täuscht«, wand er sich verlegen, ging auf das Fenster zu und schaute angespannt nach draußen auf den Regen, als er weiter sprach: »Ich habe etwas sehr Schlimmes in Köln getan und versuche mit meinem Wechsel nach Saarbrücken einen Neuanfang. Ich will darüber hinwegkommen, aber es fällt mir verdammt schwer.«
    Anke horchte auf. Sie verhielt sich still. Sie wollte ihn nicht mit vorschnellen Fragen stoppen. Er sprach weiter: »Ich hatte eine kleine Familie. Eine wunderbare Frau und eine zwölfjährige Tochter. Kathrin, meine Tochter, ist immer geritten. Dadurch habe ich reiten gelernt, weil ich sie manchmal begleitete.«
    Damit hatte er eine Frage beantwortet, die Anke sich vor einer Woche gestellt hatte.
    »Sie wollte eine Turnierreiterin werden und hatte auch großes Talent. Auf jedem Pferd ritt sie gut.«
    Wieder schwieg er eine Weile, bis er anfügte: »Im gleichen Stall ritt auch Helmut Keller zu diesem Zeitpunkt. Daher kenne ich Ihn! Er war auf meine Tochter aufmerksam geworden, weil sie so talentiert war; er wollte sie sogar trainieren. Aber soweit ist es nicht mehr gekommen!«
    »Was ist passiert?« Ankes Neugierde wurde nun doch geweckt.
    »Sie starben beide bei einem Autounfall auf glatter Straße. Meine Frau war schwanger!«
    Eine Weile blieb alles ruhig im Zimmer. Das Gesagte hing bleischwer in der Luft. Lange wartete Anke, aber er wollte nichts mehr hinzufügen. Also fragte sie: »Und was ist das Schlimme, das Sie getan haben?«
    Erstaunt schaute er sie an, als habe sie etwas Unanständiges gefragt, doch rasch besann er sich wieder und antwortete: »Die Straßen waren glatt gefroren. Ich hatte meiner Frau versprochen, sie zu fahren, aber ich habe sie versetzt.«
    »Oh!«, erschrak Anke.
    So schrecklich das alles auch klang, so spürte Anke doch, dass das noch nicht alles war. Erik würde an diesem Tag auf keinen Fall mehr über diese Tragödie erzählen. Immerhin hatte er einen Anfang gemacht und sich ihr geöffnet. Das war vielleicht der Beginn eines vielversprechenden Arbeitsteams.
    »Danke, dass Sie so viel Vertrauen zu mir haben«, bemerkte sie anerkennend.
    Ganz verlegen antwortete Erik: »Noch nie habe ich mit jemandem darüber sprechen können. Vielleicht hat mich das so verschlossen gemacht.« Als er wieder aus dem Fenster schaute, sah Anke, wie seine Kiefer mahlten, so als strengte es ihn sehr an, darüber zu sprechen. »Und jetzt, nachdem ich es Ihnen erzählt habe, fühle ich mich besser.« Er drehte sich zu ihr um und lächelte so verunsichert, als habe er etwas sehr Dummes gesagt. Es dauerte eine Weile, bis er sagte: »Ich habe das Gefühl, dass meine Geschichte bei Ihnen in guten Händen ist!«
    Anke nickte zustimmend.
    Es war schon spät, als Kullmann das Büro betrat. Gleichzeitig mit ihm traf Esche ein, wie Anke und Erik durch die verschlossene Tür hören konnten. Neugierig öffneten sie die Tür einen Spalt, um die beiden beobachten zu können.
    »Dich suche ich schon seit gestern«, sagte Kullmann freundlich. »Ich brauche dringend deine Hilfe!«
    Fast wären wieder bei Anke die alten Klappen gefallen. Schenkte Kullmann Esche immer noch die alte Gunst? Hatte er sie etwa auf die Leimrute des Verständnisses gelockt, um sie zu besänftigen? In Kullmanns Stimme mischte sich ein Ton von forscher Entschiedenheit. Wie ein Blitz schoss es Anke durch den Kopf:

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