Kullmann
Natürlich! Der Alte wusste ganz genau, was er tat!
»Ich wurde gerufen, weil Steven Dienhardt flüchtig war«, erklärte Esche.
»Das hätte ich beinahe vergessen«, meinte Kullmann und schlug kameradschaftlich auf Esches rechte Schulter.
Esche unterdrückte einen Schmerzensschrei und krümmte sich für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann richtete er sich wieder auf und lächelte, als sei nichts geschehen.
»Oh, habe ich dir wehgetan?«, fragte Kullmann, aber Esche schüttelte den Kopf und meinte: »Es geht schon! Ich bin gestern gestürzt, genau auf diese Stelle«, erklärte Esche und zeigte auf die Schulter.
Nun sah Anke, welches Spiel Kullmann mit Esche spielte. Er brauchte eine Bestätigung dafür, was er von ihr über den Einsatz der Stehlampe erfahren hatte.
»Es tut mir Leid, dass ich dir wehgetan habe!«
Kullmanns Wort hatte etwas Tröstliches.
Während er auf Ankes Zimmer zuging, sprach er weiter zu Esche: »Ich war gerade bei Kurt Spengler; er hat endlich gestanden. Er will eine Aussage zu Protokoll geben. Ich werde Anke zu ihm schicken, weil sie die meiste Erfahrung mit dieser Arbeit hat.«
»Das kann ich doch auch machen«, drängte Esche sich hastig auf. »Ich werde ihn festnehmen und hierher bringen!«
»Horst«, drehte Kullmann sich ganz theatralisch um und meinte: »Ich erinnere mich, dass du gerufen worden bist, Steven Dienhardt zu suchen; bis jetzt hast du ihn nicht gefunden, wenn ich richtig informiert bin!« Dem konnte Esche nichts entgegensetzen, also sprach Kullmann weiter: »Da diese Aufgabe weitaus gefährlicher ist als ein Protokoll aufzunehmen, wirst du wohl einsehen, dass ich es Anke überlasse, die Befragung durchzuführen. Ich möchte sie nicht der Gefahr aussetzen, womöglich auf Steven Dienhardt zu treffen.«
Kullmann richtete seinen Blick fest auf Esche, der sich hinter einer freundlichen Miene versteckte.
»Ich werde Kurt Spengler nicht festnehmen lassen, weil keine Fluchtgefahr besteht. Er wird sich bis zum Prozess zur Verfügung halten und keine Schwierigkeiten machen«, sprach Kullmann zufrieden weiter. »Aber über Dienhardts möglichen Aufenthaltsort gibt es etliche Hinweise aus der Bevölkerung, also mach dich lieber auf die Suche. Jürgen und Esther sind ebenfalls an der Arbeit, aber bisher ohne Ergebnis.«
Wortlos verzog sich Esche in sein Büro, ohne die Tür zu schließen.
Hastig sprangen Anke und Erik von ihrem Lauschposten weg, als Kullmann zielstrebig Ankes Zimmer ansteuerte. Noch während er eintrat, sprach er so laut, dass niemand im Büro es überhören konnte: »Ach Erik, gut, dass ich Sie hier antreffe. Für Sie habe ich auch einen Auftrag. Sie werden Anke zu Kurt Spenglers Haus begleiten.«
Dann schloss er die Tür zu und sprach normal weiter: »Also, Sie beide fahren zu Kurt Spengler und befragen ihn zu dem Mord an seiner Frau. Die Fragen habe ich mit Anke schon durchgesprochen. Er darf auf keinen Fall merken, dass diese Befragung fingiert ist, weil er dann möglicherweise unsere Pläne durchkreuzt.«
»Fingiert? Pläne?«, staunte Erik nur noch.
»Anke wird Ihnen alles erklären«, vertröstete ihn Kullmann. »Nach der Befragung beobachtet ihr weiterhin das Haus. Wenn Spengler das Haus verlässt, folgt ihr ihm und sagt mir Bescheid.«
»Und was machen Sie?«, fragte Anke.
»Ich warte hier im Büro für den Fall, dass Kurt Spengler nach der Befragung hier auftauchen wird.«
»Glauben Sie denn, dass er in die Höhle des Löwen kommen wird, nachdem wir ihn über den Mord an seiner Frau befragt haben?«, fragte Erik skeptisch.
»Ich weiß es nicht, deshalb müsst ihr ihm unbedingt folgen und dürft ihn nicht aus den Augen verlieren. Falls er es sich anders überlegt, müsst ihr verhindern, dass er flüchtet.«
In großer Anspannung machten Anke und Erik sich auf den Weg. Es regnete immer noch. Der Tag verabschiedete sich so schnell, als würde bald die Nacht einbrechen. Es war gerade acht Uhr abends.
Erik setzte sich ungefragt ans Steuer des Wagens und ließ sich während der Fahrt zu Spenglers Haus von Anke berichten, von welchen Plänen Kullmann gesprochen hatte. Als sie schwieg, zog er staunend die rechte Augenbraue hoch und meinte: »Der Alte ist aber ganz schön pfiffig!«
»Reden Sie nicht so schlecht über Kullmann. Er hat uns allen eine ganze Menge voraus!« Anke wurde plötzlich sehr heftig, als sie an Kullmanns Pensionierung dachte. »Sein Weggang wird ein großer Verlust für unsere Abteilung sein.«
In Spenglers Haus brannte in
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