Kullmann
mein Lieblingsessen – wenn es andere für mich kochen!«
Erwartungsvoll setzten sie sich an den Tisch, den Martha ihnen zeigte.
»Draußen habe ich heute keine Tische aufgestellt, weil es ein Gewitter gibt«, erklärte sie den beiden, die sehnsüchtig auf den kleinen Innenhof geschaut hatten.
»Auf ein Gewitter hoffen wir alle; dann kommt endlich wieder Sauerstoff in die Luft«, nickte Kullmann und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Meine Güte, im Alter fällt einem alles schwerer. Früher hat mir dieses drückende Wetter nicht halb so viel ausgemacht.«
»Das glaub ich Ihnen nicht. Jeder kämpft mit dieser Witterung, auch junge Menschen. Das hat mit Ihrem Alter überhaupt nichts zu tun«, widersprach Anke entschieden, worüber Kullmann lachen musste.
»Es ist immer wieder schön, von einer jungen Frau wie Ihnen so nett aufgemuntert zu werden; trotzdem merke ich meine Jahre.« Als wenn er sich vor Anke rechtfertigen müsste, fügte er nach einer Weile hinzu: »Nach diesem Fall in Pension zu gehen, war meine beste Entscheidung seit langer Zeit. Ich freue mich schon auf die Zeit nach der Arbeit!«
Seine Augen leuchteten, als Martha mit dem angekündigten Essen zu ihnen an den Tisch kam.
»Liebe Martha, setz dich doch bitte einen Moment zu uns«, meinte Kullmann, was die Wirtin auch gerne tat. Auch ihre Augen glänzten, was Anke nicht entging.
»Liebe Anke, ich habe im Büro noch mit niemandem darüber gesprochen, weil es dort niemanden gibt, dem ich mich anvertrauen möchte. Außer Ihnen und deshalb sollen Sie es auch als Erste erfahren«, begann Kullmann so feierlich, dass Anke sich schon wie in einer Kirche fühlte.
»Martha und ich werden heiraten, sobald ich pensioniert bin. Ich habe ein großes Haus, einen großen Garten und eine große Terrasse, was ich alles gerne mit ihr teilen möchte. Und mein Ruhestand lässt mir genügend Zeit, ein gemeinsames Leben mit Martha zu genießen.«
Anke war so gerührt, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Verlegen wischte sie sie weg, ging zu Martha und nahm sie in die Arme.
»Ich wünsche euch alles Gute. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich freue, diese Nachricht zu hören. Und danke für das Vertrauen!«
Anschließend ging sie zu Kullmann und wollte ihm die Hand geben, doch der Alte stand auf, nahm sie in die Arme und drückte sie herzlich an sich.
Als alle wieder auf ihren Plätzen saßen, fragte Anke: »Und wer übernimmt dann die Kneipe hier?«
»Meine Schwester Rosi und ihr Mann Ernst«, antwortete Martha. »Die beiden können es kaum erwarten. So eine Kneipe wollten sie schon immer machen, aber ohne Startkapital war es ihnen nie möglich. Jetzt haben sie endlich die Chance ihres Lebens!«
»Kann Rosi auch so gut kochen wie Sie?«, musste Anke einfach fragen, worüber Martha sich sehr geschmeichelt fühlte.
»Rosi hat es von mir gelernt!«
»Dann kann ja nichts mehr schief gehen!«, meinte Anke.
Hier sollte also der Abschied von Kullmann beginnen. Trauer stieg auf, aber sie wehrte sich noch etwas dagegen; mit belegter Stimme sagte sie: »Dann ist Ihr Entschluss also wirklich endgültig! Und ich hatte immer noch gehofft, dass Sie es sich vielleicht noch einmal überlegen könnten.«
»Na, na, liebe Anke! Wer wird denn gleich so traurig sein«, lächelte Kullmann. »Ich gehe in den Ruhestand und nicht aus dem Leben!«
Verwirrt schaute Anke ihren Chef an, bis er anfügte: »Wir werden zwar nicht mehr zusammenarbeiten wie früher, aber ich kann Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. Martha und ich haben das alles besprochen und sind uns darin einig. Sie weiß, wie gerne ich meine Arbeit immer gemacht habe, sie möchte mir den Spaß nicht verderben!« Listig lachte der Alte seine Kollegin an, die daraufhin ganz erleichtert aufatmete.
»Na, das ist ein Wort«, lachte Anke. »Trotzdem staune ich über Ihren Entschluss, weil Sie noch vor einer Woche zu mir gesagt haben, der Zeitpunkt, in den Ruhestand zu gehen, wäre total ungünstig.«
»Stimmt! Aber diese Aussage war wohl nicht so ernst gemeint. Inzwischen habe ich mich schon bestens auf meinen neuen Lebensabschnitt eingestimmt und muss sagen, es gefällt mir. Martha verwöhnt mich jetzt schon so sehr, dass ich zugenommen habe. Meine alten Anzüge werden zu eng; ich musste mir schon neue kaufen. Aber das macht uns nichts aus. Ihre Leidenschaft ist das Kochen und meine ist das Essen. Noch nie in meinem Leben ist es mir so gut ergangen!«
Darüber mussten sie alle drei lachen.
Weitere Kostenlose Bücher