Kullmann
einer Kleinigkeit scheitern, die er trotz seines ausgeklügelten Planes übersehen hatte.
Das Warten begann.
Nur widerwillig folgte er seinem Drang, zur Toilette zu gehen, weil er befürchtete, dass ausgerechnet dann der erwartete Anruf von Anke und Erik käme. Aber er konnte nicht länger warten. Er beeilte sich. Auf dem Rückweg hörte er eine Tür schlagen.
Erschrocken drückte er sich in einen Türrahmen. Die einzige Lichtquelle, die den langen Gang in ein gespenstisches Licht tauchte, kam aus seinem Büro. Wieder hörte er ein Poltern, als habe sich der Eindringling in der Dunkelheit an etwas gestoßen. Wie ein Blitz überfiel ihn der Gedanke, dass er das nächste Opfer des Polizistenmörders sein könnte. Wo lauerte er auf ihn? Dieser lange Gang bestand aus vielen Türen, die offen standen. Wenn Kullmann nun versuchte, zum Ausgang zu laufen, würde er ihm mit Leichtigkeit den Weg versperren, denn er befand sich zwischen Kullmann und der Pforte, die seine Rettung bedeuten könnte. In diesem Augenblick begann das Telefon zu klingeln. Kullmann nahm all seinen Mut zusammen und huschte schnell in sein Büro. Er wollte gerade den Hörer abnehmen, als das Telefon aufhörte zu läuten. Schweißgebadet stand er nun vor dem stillen Apparat und ärgerte sich, dass er nicht schneller reagiert hatte. Er glaubte, einen Schatten an seiner Tür gesehen zu haben. Hastig eilte er auf den Schreibtisch zu, um seine Dienstwaffe herauszunehmen, aber mit Schrecken musste er erkennen, dass er genau diese Seite des Schreibtischs wie immer abgeschlossen hatte.
Er hatte fest damit gerechnet, dass Kurt Spengler sich auf den Weg zum Landeskriminalamt machen würde, wenn Anke und Erik ihren Auftrag erledigt hätten; aber sie hätten ihn auch vorgewarnt, weil sie ihn nach dem Besuch weiter observierten. Das konnte nicht Spengler sein, der im Flur auf ihn lauerte. Er würde sich nicht wie ein Dieb hereinschleichen. Aber wie war es möglich, dass ein Fremder in das Gebäude gelangte? Kullmann blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Er befand sich in höchster Alarmbereitschaft, als völlig lautlos die schattenhafte Gestalt in sein Zimmer glitt. Kullmann erschrak zu Tode, weil er den Eindringling gar nicht gehört hatte. Blitzschnell wollte die schwarze Gestalt über den Alten herfallen, doch Kullmann reagierte schneller. Geduckt wich er aus, so dass der Schatten zu Boden polterte. Kullmann umrundete seinen Schreibtisch und wollte auf den Flur rennen. Doch der Eindringling hatte sich wieder aufgerappelt. Er packte ihn von hinten, Kullmann verlor das Gleichgewicht und fiel. Dabei schlug er heftig mit den Kopf auf. Einige Sekunden fühlte er sich wie benebelt. Da begann die Gestalt zu sprechen. Kullmann hatte sich nicht getäuscht. Gerne hätte er diesen Triumph ausgekostet, aber nun lag er unter dem Polizistenmörder, befand sich mit ihm ganz allein im Büro und war sich alles andere als sicher, ob sein Plan, der inzwischen sehr durcheinander geraten war, am Ende doch noch gelingen würde.
»Na, du alter Klugscheißer! Jetzt habe ich dich da, wo ich dich immer haben wollte: am Boden!« Triumphierend kniete Esche über ihm. Im fahlen Lichtschein konnte Kullmann sein Grinsen sehen, das sein Gesicht langsam zu einer zynischen Grimasse verzerrte.
»Wenn du an meine Waffe willst, hast du ein Problem«, röchelte Kullmann, weil Esche mit einer Hand seinen Hals umklammerte.
»Die brauche ich nicht, weil du kein Gegner für mich bist, alter Mann!«, lachte Esche. »Schau dich nur an, wie du vor mir liegst. Für dich brauche ich eigentlich keine Waffe, aber du wirst mir die Waffe schon geben!«
Mit einem Ruck zog er Kullmann hoch und schubste ihn unsanft in sein Büro zurück.
»Los, alter Mann! Ich weiß, du hast die Waffe in deinem Schreibtisch. Sperr ihn auf und hol sie raus. Es soll alles so aussehen, dass der Polizistenmörder ein weiteres Mal zugeschlagen hat. Ich werde auch fleißig mithelfen, den bösen Kerl zu erwischen. Glaub mir, ich werde großen Einsatz zeigen, wenn es darum geht, den Mörder von Kullmann, dem Unschlagbaren, dem Sherlock Holmes des einundzwanzigsten Jahrhunderts, zu finden!«
»Dafür ist es zu spät«, meinte Kullmann, doch Esche schlug ihm so fest in die Rippen, dass Kullmann die Luft wegblieb.
»Hol die Waffe!«, schrie er nun. »Wenn du glaubst, dass Kurt Spengler jetzt kommt, hast du dich getäuscht!«
Kullmann fühlte sich ausgeliefert. Wie konnte Esche von seinem Plan erfahren haben?
»Da staunst du,
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