Kullmann
Esches Plan war gefährlich genau ausgetüftelt. Ohne seine glückliche Eingebung wäre es ihm nicht gelungen, diese beiden Männer zu überführen. Er hatte gezielt auf die Erzfeindschaft der beiden gebaut und damit Recht behalten. Kurt Spengler und sein Sohn Esche waren voneinander abhängig, obwohl sie sich hassten. Wie Raubtiere auf der Lauer. Nur deshalb war ihm dieser Schachzug gelungen, sonst hätte er auf Granit gebissen.
»Und Biehler? Warum ein Verkehrspolizist? Hatte er Ihnen einen Strafzettel verpasst, als Sie auf die Jagd nach Kollegen gehen wollten?«, stellte Kullmann nun die letzte offene Frage.
»Biehler habe ich nicht erschossen«, meinte Esche ganz gelassen.
Kullmann staunte. Was sollte diesen mehrfachen Mörder nun dazu bewegen, einen Mord nicht zu gestehen?
»Sie können ruhig bei der Wahrheit bleiben. Ihre ehrgeizigen Zukunftspläne sind ohnehin zerstört«, meinte Kullmann unbeirrt, doch Esche schüttelte nur den Kopf und sagte: »Meine ehrgeizigen Pläne vielleicht! Aber das ist nicht alles, woraus ein Leben besteht!« Dabei lachte er, dass es Kullmann ekelte. »Was sollen denn jetzt noch diese Spielchen?«, meinte er barsch. Aber Esche war einfach nicht aus der Ruhe zu bringen. Lächelnd meinte er: »Am 26. Februar hat unser guter alter Bundespräsident Johannes Rau die RAF-Terroristin Schulz begnadigt, wie Sie sich bestimmt noch erinnern können. Sie war wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Meinen Sie nicht, dass ich auch mal bei dem guten Johannes Rau einen Antrag stellen soll? Warum sollte er mir nicht das gleiche Recht zukommen lassen?«
Kullmann erinnerte sich daran, weil diese Nachricht große Aufregung in die Abteilung gebracht hatte. Aber nun verspürte er keine Lust, sich mit Esche über seine fixen Ideen zu unterhalten, also wiederholte er seine Frage: »Warum Biehler?«
»Ich sagte doch schon, ich habe Biehler nicht erschossen!«
Nun war Kullmann völlig sprachlos. Eine Weile schaute er ihn nur staunend an, bis er weiterfragte: »Aber wie sind Sie an Biehlers Waffe gekommen, die Sie Robert Spengler zusammen mit den anderen unterschieben wollten?«
Esche lachte und meinte verschmitzt: »Können Sie sich noch erinnern, dass wir uns am Tatort begegneten?«
Kullmann überlegte eine Weile und erinnerte sich in der Tat daran, dass er ihn ganz alleine in der Nähe des Tatorts an einem kleinen Teich angetroffen hatte. Esche hatte auf dem Zaun gesessen und das Treiben beobachtet, als ginge ihn das Ganze nichts an.
Kullmann hatte Esche aufgefordert, diesen Ort zu verlassen, um keine Spuren zu verwischen.
»Sie werden es nicht glauben, aber ich habe die Tatwaffe dort gefunden, wo Sie mich gesehen haben. Als ich diesen kleinen Teich sah, ahnte ich, dass der Täter versucht hat, die Waffe dort loszuwerden. Er hat in seiner Eile nicht weit genug geworfen, denn sie lag am Rand des Wassers, bedeckt von altem Laub.«
Kullmann gefiel nicht, was er da hörte. Er wusste genau, dass seine Kollegen der Spurensicherung sehr gründlich arbeiteten, da war es für ihn unfassbar, wie eine solche Nachlässigkeit geschehen konnte. Vermutlich hatten sie den Tatort nicht weiträumig genug abgegrenzt. Schließlich konnten sie nicht das gesamte Wildgehege absperren, dann würde ihre Arbeit ins Uferlose ausarten.
Esche bemerkte nicht, wie sehr sich Kullmann mit diesen Fragen beschäftigte und redete einfach weiter: »Ich habe die Waffe eingesteckt, weil ich mir dachte, die könnte noch wichtig werden. Außerdem wäre bei dem Fund der Waffe das Muster der anderen Morde über den Haufen geworfen worden, und damit wäre mein Plan mächtig durchkreuzt worden.«
Als er aufhörte zu reden, wurde es sehr still. Kullmann unterbrach die Stille, indem er fragte: »Wie ist es Ihnen gelungen, den Waffenfund bei der Hausdurchsuchung zu fingieren?«
»Das war nicht so einfach, weil es überall von Menschen nur so wimmelte. Zum Glück sind mir die Mülltonnen eingefallen. Dort hat nämlich lange Zeit niemand nachgesehen. Diesen Moment habe ich genutzt. Eine andere Möglichkeit blieb mir nicht.«
Kullmann fehlten die Worte. Nachdenklich saß er Esche gegenüber. Er konnte einfach nicht fassen, was er da zu hören bekam. Da lag ein eindeutiges Geständnis vor ihm, aus dem Munde eines Mitarbeiters, dessen wahres Gesicht er selbst nicht erkannt hatte. Esche war der Wolf im Schafspelz. Lange hatte er dieses Spiel spielen können, zu lange. Je mehr Kullmann über die detailgenauen
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