Kullmann
Schilderungen nachdachte, umso deutlicher wurde seine Erkenntnis, dass Polizisten am besten wissen, wie ein perfektes Verbrechen zu planen ist. Täglich wurden sie mit dieser Arbeit konfrontiert.
»Ihr Plan ist wirklich sehr genau durchdacht«, meinte Kullmann, während er sich die Schläfen rieb. »Nun beschäftigt mich noch eine Frage: Wie hätten Sie meine Ermordung in meinem eigenen Büro erklärt – zu einer Zeit, zu der nur wir beide dort waren?«
Erstaunt schaute Esche sein Gegenüber an. Darauf wusste er keine Antwort.
»Egal, wie gut Sie sich alles zurechtgelegt haben, am Ende wären Sie doch dort gelandet, wo Sie hingehören«, erklärte Kullmann. »Eine alte Weisheit bewährt sich immer wieder: Verbrechen lohnt sich nicht!«
Er schaltete das Aufnahmegerät aus und verließ wortlos das Verhörzimmer.
In seinem Kopf rumorte nun eine völlig neue Frage: Wer hatte Peter Biehler umgebracht? Und diese Frage zog noch weitere Fragen mit sich: Wo mussten sie nun mit ihrer Ermittlungsarbeit ansetzen? Wieder ganz am Anfang? Sie hatten das Umfeld von jedem der Opfer akribisch genau untersucht und waren dabei nicht auf den geringsten Hinweis gestoßen, dass einer der Ermordeten einem anderen Täter zum Opfer gefallen sein konnte als dem Polizistenmörder, so sehr Kullmann sich auch gegen diese Wahrheit gesträubt hatte. Daraufhin hatten sie sich ausschließlich mit der Suche nach den Zusammenhängen zwischen Nimmsgern, Hübner und Biehler beschäftigt und tatsächlich Erfolg gehabt. Jetzt passte Biehler nicht mehr in das alte Konzept. Wie sicher war er sich doch gewesen, mit diesem einen Schlag die Lösung aller Rätsel gleichzeitig gefunden zu haben. Aber er hatte sich getäuscht.
Entmutigt setzte er sich in sein Büro und beschloss, Anke und Erik wieder zum Dienst zu bestellen. Diese neue Situation machte die Mitwirkung der beiden notwendig. Zuerst rief er bei Anke zu Hause an, aber sie meldete sich nicht. Dann wählte er die Nummer ihres Handys. Das war abgeschaltet und leierte nur den obligatorischen Satz »Bitte versuchen Sie es später wieder« herunter.
Anschließend rief er Erik Tenes an, den er erreichte. Der Kollege versprach, sofort ins Büro zu kommen.
Schon eine halbe Stunde später betrat Erik Kullmanns Büro. Seine Miene wirkte sehr betroffen, als er zur Begrüßung sagte: »Die Medien waren aber wieder verdammt schnell!«
»Was wollen Sie damit sagen?«, murrte Kullmann, dessen Laune schon schlecht genug war.
»Im Radio wird schon den ganzen Tag von dem erfolgreichen Zugriff der Polizei berichtet. Allerdings wurde vor einer halben Stunde eine Richtigstellung durchgegeben, dass der Verdächtige nicht für alle Polizistenmorde verantwortlich sei. Der Mord an dem Verkehrspolizisten ist also weiterhin noch nicht aufgeklärt und ein gefährlicher Mörder läuft immer noch frei herum«, zitierte Erik.
»Das ging aber schnell«, staunte Kullmann.
Eine Weile saßen beide stumm da. Kullmanns Lesebrille balancierte wieder gewagt auf seiner Nasenspitze, während er darüber hinwegschaute und sagte: »Unsere Ermittlungsarbeiten im Fall Biehler stehen wieder ganz am Anfang, weil wir von falschen Tatsachen ausgegangen sind.«
Eine Weile verharrten beide in Schweigen, bis Erik sagte: »Ich habe Peter Biehlers Akte eingehend studiert. Da ist mir aufgefallen, dass er im Stall unbeliebt war. Da wir zurzeit keinen anderen Anhaltspunkt haben, müssen wir dort anfangen zu suchen!«
»Und was wollen Sie da finden? Wer hatte dort ein Motiv für einen Mord? Nur weil Biehler einem in die Quere geritten ist oder die Schubkarren mit seinen Füßen getreten hat, ist er doch nicht erschossen worden«, schüttelte Kullmann ungläubig den Kopf.
Während die beiden sich ratlos gegenübersaßen, versuchte Kullmann wieder, Anke über ihr Handy zu erreichen. Aber auch diesmal erreicht er nur die Mail-Box. Dort hinterließ er die Nachricht, dass sie sich dringend bei ihm melden sollte.
»Vielleicht bringt uns der Reitstall doch weiter; wir haben ihn vernachlässigt, weil wir auf einen Täter in einem ganz anderen Umfeld fixiert waren«, blieb Erik beharrlich bei seiner Überlegung.
»Welche Motive sind in einem Reitstall möglich?«, fragte Kullmann, der vom Reitsport nicht sehr viel verstand. Das Einzige, was er durch Anke erfahren hatte, war, dass dieser Sport viel Geduld mit einem großen Tier erforderlich machte und schmerzende Hintern und Muskelkater zur Folge hatte. Mehr wusste er nicht darüber.
»Peter Biehler
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