Kullmann
Atmosphäre sie vermisst hatte. In letzter Zeit hatte Kullmann sie nicht mehr gefragt, ob sie mitkommen wollte, was sie nachdenklich gestimmt hatte. Oft hatte sie sich gefragt, ob sie ihm einen Grund dafür gegeben hätte. Weil sie diese Frage nicht beantworten konnte, hatte sie sich dabei unglücklich gefühlt. Aber heute zeigte ihr seine Geste, dass ihre Bedenken einfach nur voreilig gewesen waren; begeistert stimmte sie seiner Einladung zu.
Kaum hatten sie das Lokal betreten, da rief ihnen Martha zu, dass sie im Hof einen Tisch bereitgestellt hatte. Bei dem schönen Wetter war das eine ganz besonders gute Idee. Anke ging vor und setzte sich. Als sie auf ihren Chef wartete, fiel ihr auf, wie lange er brauchte, bis er zum Tisch zurückkehrte.
»Heute gibt es Kartoffel-Lyoner-Pfanne. Eines meiner Lieblingsessen hier«, berichtete er froh gelaunt.
Martha brachte ihnen ihre Bestellungen und plauderte noch ein wenig mit Kullmann. Der Umgangston wirkte verändert, aber Anke wusste nicht, was sich geändert hatte. Sie fühlte sich wie immer sehr wohl bei Martha und vergaß bei dem guten Essen einfach, darüber nachzudenken, was sich zwischen den beiden geändert haben könnte. Das Einzige, was ihr sofort auffiel war, dass Kullmann kein Bier trank. Er hatte sich Sprudel bestellt, was Anke dann ebenfalls tat. Gut gesättigt verließen sie das Lokal und schlenderten durch die Sonne zurück zum Landeskriminalamt.
Plötzlich sahen sie Kurt Spengler in Begleitung einer Rothaarigen, deren Make-up im Sonnenlicht viel zu grell wirkte. Die beiden kamen direkt auf Kullmann und Anke zu.
Erst als Kurt Spengler ganz dicht vor Kullmann stehen blieb, forderte er seine Begleiterin auf weiterzugehen, was diese auch widerstandslos tat.
Er postierte sich so breit auf dem Weg, dass Kullmann und Anke nicht vorbeigehen konnten. Anke sah, dass Kullmann kreideweiß im Gesicht geworden war. Die Luft zwischen den beiden Männern wurde so spannungsgeladen, dass sie knisterte. Anke entfernte sich ebenfalls einige Schritte, blieb aber so nah, dass sie jedes Wort verstehen konnte.
»Du gibst es nie auf, was?«, sprach Spengler in einem ironischen Tonfall.
»Niemals! Du hast Luise auf dem Gewissen und ich werde dir das beweisen«, entgegnete Kullmann böse.
Spengler lachte bissig: »Dass du damals gegen mich verloren hast, hast du niemals verkraftet, nicht wahr? Nun siehst du deine einmalige Chance, es mir heimzuzahlen. Aber vergiss nicht, mit wem du es zu tun hast. Was bist du schon im Gegensatz zu mir? Ein kleiner Schnüffler, der im Schmutz anderer Leute wühlt. Ich habe es dagegen zu etwas gebracht; ich habe Karriere gemacht. Außerdem schwelge ich in Reichtum und Luxus. Wenn du dich wirklich mit mir messen willst, musst du gut aufpassen, dass du dich nicht übernimmst, lieber Norbert!«
»Dir wird das Lachen noch vergehen. Dein Spiel ist aus! Mit dem Mord an deiner Frau bist du einen Schritt zu weit gegangen!« Mit diesen Worten ließ Kullmann sein Gegenüber stehen und setzte seinen Weg fort, wobei er Anke völlig außer Acht ließ. Still stand sie am Rand des Bürgersteigs und schaute ihrem Chef nach.
»Luise ist tot, was nützen dir also noch deine Bemühungen. Vielleicht hättest du mal früher aus deiner Lethargie erwachen sollen! Hahaha!«, lachte Kurt Spengler so künstlich und so laut, dass es über die ganze Straße schallte. Aber Kullmann war schon verschwunden.
Nach Feierabend fuhr Anke zum Reitstall. Als sie nach Rondo schauen wollte, war die Box leer.
Enttäuscht ging sie weiter.
Peter Biehler und Sybille hatten ihre beiden Pferde in der engen Stallgasse angebunden und waren damit beschäftigt, sie zu satteln und zu trensen. Es schien alles wieder völlig normal zwischen den beiden zu sein, stellte Anke erstaunt fest. Ob Sybille es gewohnt war, von Biehler vergessen zu werden?
Aus sicherer Entfernung sah sie, wie Doris Sattler ihr Pferd durch die Stallgasse führte. Wie sie an Biehlers Pferden vorbeikommen wollte, war Anke ein Rätsel. Die Stallgasse war zu eng.
»Kannst du mich bitte mit meinem Pferd vorbeilassen«, bat Doris höflich, doch Biehler reagierte nur ganz lässig: »Wenn ich soweit bin!«
Damit brachte er Doris natürlich gleich auf die Palme: »Ich warte doch nicht, bis du fertig bist. Lass mich gefälligst durch!«
Biehler drehte sich betont langsam um und sagte gleichgültig: »Sieh doch zu, wie du vorbeikommst. Ich werde mein Pferd jedenfalls jetzt nicht hier wegstellen!«
Wütend versuchte Doris ihr
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