Kullmann
kein Zeuge meldet oder sonst etwas geschieht, werden wir nie herausfinden, wer Nimmsgern erschossen hat.«
»Mit »sonst etwas geschieht« meinen Sie doch nicht etwa, dass noch ein Kollege ermordet werden könnte?«, hakte Anke nach.
»Ach was, ich will Sie doch nicht verunsichern. Ich bin nur verzweifelt darüber, wie wenig erfolgreich unsere Ermittlungen in diesen beiden Fällen bisher waren. So schlecht haben wir noch nie dagestanden.« Kullmann machte eine kurze Pause, bevor er anfügte: »Ich werde nicht in meinen Ruhestand gehen können, solange nicht alles aufgeklärt ist; schließlich soll es nicht so aussehen, als wollte ich mich aus der Affäre ziehen.«
»Seien Sie doch nicht so ungeduldig. Immerhin haben Sie schon herausgefunden, dass Luise Spengler sich scheiden lassen wollte. Das ist ein äußerst wichtiges Indiz«, erinnerte Anke ihren Chef.
»Das ist es ja gerade! Inzwischen weiß ich nämlich, dass Nimmsgern auch schon bei dem Anwalt war. Aber wo ist in den Akten etwas vermerkt? Nirgends! Hier geschehen Dinge, die sich meiner Kenntnis entziehen.«
»Vielleicht war er erst kurz vor seiner Ermordung beim Anwalt und nicht mehr dazu gekommen, den Eintrag vorzunehmen«, spekulierte Anke.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ganz einfach, weil Nimmsgern an seinem letzten Tag stolze Andeutungen losließ, dass er in diesem Fall einen gewaltigen Schritt weitergekommen sei. Aber Sie kannten ihn ja, er hat aus allem ein Geheimnis gemacht. Er wollte mir erst am nächsten Tag sagen, was er herausgefunden hatte, aber dazu kam es nicht mehr.«
»Und das erfahre ich erst jetzt«, schimpfte Kullmann sogleich los.
»Tut mir Leid, aber ich hielt es nicht für wichtig. Nimmsgern hat oft so dahergeredet«, entschuldigte Anke sich ganz entsetzt über die Heftigkeit ihres Chefs, worauf Kullmann wieder etwas besänftigt meinte: »Oh Entschuldigung! Ich wollte Sie nicht so anfahren, schließlich weiß ich genau, dass Sie immer einen untrüglichen Spürsinn besitzen. Vermutlich war Nimmsgerns Getue wirklich nicht so wichtig. Warum sollte ich mich also noch darüber aufregen?«
Erleichtert atmete Anke wieder durch: »Sie haben bisher alles aufgeklärt und werden bis zu ihrer Pensionierung alles zum Abschluss bringen!«
»Wie schaffen Sie das nur, in diesem Schlamassel so positiv zu denken?«, fragte er zweifelnd.
»So schlecht, wie Sie meinen, stehen wir gar nicht da. Wir sind doch schon gut vorangekommen. Wir lösen den Fall mit Sicherheit«, erklärte Anke zuversichtlich.
»Was heißt hier gut vorangekommen? Luise Spenglers Tod liegt inzwischen neun Monate zurück, und wir haben nicht mehr als ein Dutzend unbewiesener Vermutungen und den ständigen Antrag der Amtsleitung, Luise Spenglers Fenstersturz als Unfall abzuschließen. Dabei weiß ich genau, dass es Mord war. Und was Nimmsgern betrifft, sieht es auch nicht besser aus, nur dass seine Ermordung sechs Monate zurückliegt und alle Vermutungen sich als haltlos erwiesen haben. Wie sehen Ihrer Meinung nach denn wirklich schlechte Ermittlungen aus?«
Darauf gab Anke keine Antwort und ging in ihr Büro zurück. Aber Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht. Kaum saß sie an ihrem Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Am Klingelzeichen war zu erkennen, dass es ein interner Anruf war. Als sie abhob, erschrak sie. Ein obszönes Angebot tönte durch den Hörer, mit detaillierten Ausführungen, die Anke sich nicht bis zum Ende anhörte. Die Stimme konnte sie nicht erkennen, trotzdem ahnte Sie, wer hinter diesem schmutzigen Scherz stand.
Seit sie sich von Hübner getrennt hatte, respektierten sie sich gegenseitig. Hübner hatte ihre Entscheidung zwar nur schweren Herzens akzeptiert, aber er hatte eingesehen, dass er keine Chance mehr hatte. Auch wenn er immer noch versuchte, Sympathien bei ihr zu wecken, traute sie ihm solche Spielchen einfach nicht zu. Also blieb nur Esche. Gerade war sie zu dieser Erkenntnis gekommen, als er ohne anzuklopfen eintrat und die Tür hinter sich zuwarf.
»Was willst du mit diesen Obszönitäten erreichen?«, schimpfte Anke ihn sofort an.
»Tu nicht so unschuldig. Ich habe dich gestern zufällig mit Robert Spengler zusammen gesehen. Ihr beide habt nicht so ausgesehen, als würde es beim Händchenhalten bleiben.«
Anke schwieg.
»Sollen das jetzt die neuesten Ermittlungsmethoden sein? Du gehst mit einem Zeugen ins Bett, damit er mehr ausplaudert oder was? Dass Robert der Sohn von Luise Spengler ist, wird dir doch wohl nicht entgangen sein, also
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