Kullmann
Stimmung war gedämpft, weil genau das geschehen war, was alle befürchtet hatten: Der Polizistenmörder war wieder unterwegs.
Im Wildpark angekommen, sahen sie, dass die Kollegen der Spurensicherung schon bei der Arbeit waren. In ihren Schutzanzügen wirkten sie wie Astronauten bei der Mondlandung – mit dem kleinen Unterschied, dass sie ganz dicht am Hasengehege gelandet waren. Aus sicherer Entfernung schauten die Langlöffler diesem fremdartigen Treiben zu.
Auf dem Weg vom Parkplatz zu diesem Gehege trat ein Kollege der Schutzpolizei auf Kullmann zu und erzählte mit Leichenmiene: »Es handelt sich um Peter Biehler.«
Erschrocken schnappte Anke nach Luft. Ausgerechnet Peter Biehler, überlegte sie. Sie konnte es gar nicht glauben, dass der Mann, den sie noch am Vortag gesehen hatte, heute schon tot sein sollte – erschossen vom Polizistenmörder. Schwindel befiel sie bei dem Gedanken, wie unvermittelt es jeden von ihnen treffen konnte. Erst gestern hatte sie ihm gedroht, ihn für sein ungebührliches Verhalten bei seinem Dienststellenleiter anzuzeigen. Niemals wäre ihr der Gedanke gekommen, Biehler in großer Gefahr zu wähnen.
Wen sollte es das nächste Mal treffen?
Der Polizist setzte aber seinen Bericht unbeeindruckt fort: »Er war zusammen mit seinem Kollegen auf dem Rückweg von der Universität.«
»Wie ist es passiert?«, unterbrach ihn Kullmann.
»Nach Aussage des Kollegen wollte Peter Biehler nur pinkeln.«
»Hat Peter Biehler zufällig diesen Ort gewählt?«, funkte Kullmann dazwischen.
»Nach Aussage des Kollegen nicht. Biehler machte immer hier seine Pinkelpause. Er bemerkte jedes Mal, bevor er ausstieg: »Ich zeige Rudi Rammler, was ein echter Hammer ist!« Weil Biehler immer etwas länger dafür brauchte, machte sich der Kollege auch keine Sorgen um ihn. Doch plötzlich hörte er einen Schuss. Als er den Toten fand, war der Täter jedoch längst verschwunden. Und gesehen hat er auch nichts, was uns weiterhelfen könnte.«
»Also haben wir auch in diesem Fall keinen Zeugen«, stellte Kullmann resigniert fest.
Der Kollege verabschiedete sich und wurde gleich von Theo Barthels, dem Leiter der Spurensicherung, abgelöst: »Bisher haben wir nichts Verwertbares finden können. Hier ist ein für unsere Arbeit sehr ungünstiger Tatort ausgesucht worden, weil hier sehr viele Menschen spazieren und ihre Kinder mitnehmen. Es gibt Schuhabdrücke in allen Größen und Formen. Die können wir gar nicht alle überprüfen.«
»Das hört sich ja genau so an wie damals bei Nimmsgern!«
»Leider ja! Die schönsten Tatorte sind und bleiben eben die in geschlossenen Räumen. Da kann man alle Spuren zuordnen und den Täter herausfiltern«, murrte Theo und machte sich wieder an die Arbeit.
Kullmann und Anke folgten dem schmalen Trampelpfad an dem Gehege der Wildkaninchen vorbei auf einen breiten Spazierweg. Vor ihnen befand sich das Gehege der Alpensteinböcke, die sich durch das Aufgebot an Menschen nicht aus der Ruhe bringen ließen.
Erschrocken fuhr Anke zusammen, als sie Esche erblickte. Er wirkte so, als säße er gelangweilt auf der hölzernen Umzäunung eines kleinen Tümpels, in dem sich nur wenig Wasser befand.
»Was tust du denn hier?«, fragte Kullmann erstaunt.
Gelangweilt ließ Esche seine Beine baumeln, während er antwortete: »Ich habe von dem Mord erfahren und bin gleich hierher gefahren. Inzwischen sind es ja schon zwei Kollegen, die erschossen worden sind, da wollte ich mir einfach mal die Stelle ansehen, an der der Täter dieses Mal zugeschlagen hat.«
»Du weißt, dass das Team der Spurensicherung keinen Wert auf zu viele Menschen am Tatort legt, die vielleicht Spuren verändern oder verwischen können«, tadelte Kullmann.
»Hier laufen so viele Leute herum, dass meine Spuren die Aufklärung nicht verhindern. Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass ich mich nicht in die Nähe des Tatortes begeben habe«, ließ Esche sich nicht aus der Fassung bringen.
Kopfschüttelnd ging Kullmann weiter. Anke folgte ihm mit einer großen inneren Genugtuung. Es gefiel ihr, dass Kullmann diesen Feldzug von Esche nicht gutheißen konnte. Sie steuerten den Wagen an. Dort trafen gerade einige Journalisten mit Kameras und Aufnahmegeräten ein. Schnell stiegen sie ein, um sich nicht vor ihnen rechtfertigen zu müssen, und fuhren davon.
»Woher zum Teufel wissen die schon wieder Bescheid?«, schimpfte Kullmann.
»Ich glaube, wir haben den falschen Beruf: Wir sollten bei der Zeitung arbeiten, dann
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