Kullmann
ab, als er merkte, wie verlegen Anke geworden war. »In jungen Jahren muss man sich verlieben, das macht das Leben erst richtig lebenswert.«
»Sie sprechen wohl aus Erfahrung?«, entgegnete Anke ebenfalls schelmisch.
»Wissen Sie, wenn man so alt ist wie ich, hat man unweigerlich seine Erfahrungen gemacht. Auch wenn ich nicht viel darüber rede, so gab es auch in meinem Leben schon sehr glückliche Zeiten«, schwelgte er in seinen Erinnerungen. »Es hat nichts zu sagen, dass ich nicht verheiratet bin!«
»Sind Sie der notorische Junggeselle?«, wollte Anke wissen, die sehr froh darüber war, dass Kullmann von seinem Leben erzählte, was leider zu selten vorkam.
»Das nicht! Es kam eben immer anders. Vor Jahren schon habe ich damit aufgehört, alles genau zu hinterfragen.« Nach einer kurzen nachdenklichen Pause murmelte er: »Man bekommt nie eine Antwort!«
Verwundert über die Niedergeschlagenheit, die Kullmann plötzlich zu befallen schien, schaute Anke ihren Chef an. Deutlich spürte sie, dass es etwas gab, was Kullmann mehr beschäftigte, als er zuzugeben bereit war. Aber sie durfte nicht vergessen, dass sie nur seine Mitarbeiterin war, warum also sollte er gerade ihr seine privaten Geheimnisse verraten?
»Ich möchte Sie nicht mit meinen Belanglosigkeiten belästigen …«
»Damit können Sie mich gar nicht belästigen«, widersprach Anke heftig. »Im Gegenteil, alles, was Sie über sich erzählen, interessiert mich. Von Belanglosigkeiten kann gar keine Rede sein. Es ist für mich eine ganz besondere Ehre, wenn Sie mir vertrauen.«
Kullmann lächelte und winkte ab: »Sie schmeicheln mir mal wieder so charmant, dass ich mich gleich viel besser fühle. Aber unsere Ermittlungen befinden sich an einem Punkt, der es mir wirklich sehr schwer macht, an mich selbst zu glauben. Endlich ist der Zeitpunkt für mich gekommen, in Rente zu gehen. Und nun das. Ich leite Ermittlungen, die so ergebnislos verlaufen wie noch nie während meiner gesamten Dienstzeit. Wahrscheinlich habe ich den Zeitpunkt meines Wegganges einfach nur falsch gewählt – oder verpasst. Ich hatte hier weiß Gott schon bessere Zeiten.«
»Gibt es denn etwas Bestimmtes, was Sie so quält?«
Kullmann räusperte sich und zögerte eine Weile, bis er sprach: »Nimmsgern hatte zum Zeitpunkt seiner Ermordung an dem Fall Spengler gearbeitet. Ich hege den Verdacht, dass Nimmsgern ein Beweisstück bei sich hatte, als er erschossen wurde, und dass dieser Beweis nun in den Händen seines Mörders ist. Nur: Wer profitiert davon, wenn der Fenstersturz von Luise Spengler nicht aufgeklärt wird?«
»Wie kommen Sie darauf, dass Nimmsgern einen Beweis bei sich hatte?«, stutzte Anke. Wieder fiel ihr das geheimnisvolle Gehabe von Nimmsgern ein, als er am Tag seiner Ermordung das Büro verlassen hatte.
»Weil Theo, der Leiter der Abteilung Kriminaltechnik, mich angerufen und mir mitgeteilt hat, dass ein Kollege der Spurensicherung Fingerabdrücke in Luise Spenglers Zimmer sichergestellt habe, diese Karte allerdings niemals im Labor angekommen sei, wo sie mit den Daten des Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-Systems verglichen werden sollten. Nach dem Bericht der Spurensicherung war Nimmsgern bei allen Untersuchungen, die dort angestellt worden sind, persönlich anwesend. Er hatte sich bei den Kollegen bereit erklärt, die Proben selbst ins Labor zu bringen.«
»Das überrascht mich aber!«, wandte Anke ein.
Kullmann bestätigte Ankes Einwand und setzte seinen Bericht fort. »Außer der Fingerabdruckkarte ist auch alles im Labor angekommen. Ich habe gerade mit dem Aktenführer gesprochen, der alle Ergebnisse der Spurensicherung akribisch genau abheftet und beschriftet. Diese Fingerabdruckkarte ist niemals in seinen Händen gelandet, sonst wäre sie auffindbar. Da Luises Zimmer nach der Spurensuche wieder freigegeben wurde, war es nicht mehr möglich, diese Fingerabdrücke ein zweites Mal sicherzustellen, weil die Putzfrau dort gründlich gereinigt hatte. Diese Karte könnte der Schlüssel unserer Ermittlungen sein. Deshalb vermute ich, dass Nimmsgerns Mörder diese Unterlagen an sich genommen hat.«
»Das hört sich wirklich abenteuerlich an. Was veranlasst Sie, zu glauben, Nimmsgerns Mörder hätte ein Motiv, die Ermittlungen an Luises Tod zu boykottieren? Es gibt doch immer Verrückte, die Polizisten hassen. Im Grunde kann es doch auch ein Anschlag auf die Polizei im Allgemeinen gewesen sein«, zweifelte Anke.
»Das stimmt und solange sich
Weitere Kostenlose Bücher