Kullmann
ihr vorbeiging, dass sie die beiden gar nicht übersehen konnte.
»Du wirst es nicht glauben! Robert gibt mir Nepomuk für die nächsten Turniere. Er hat volles Vertrauen zu mir und sagt, ich darf mit seinem Pferd machen, was ich will«, flötete sie, um Anke damit zu ärgern. Und das gelang ihr auch – der Schlag saß. Am liebsten hätte Anke dieser Person die Augen ausgekratzt, aber sie beschränkte ihre Wut nur auf den giftigen Kommentar: »Dann kannst du ja wenigstens mit seinem Pferd machen, was du willst!«
Verwirrt schaute Doris sie an und musste erst überlegen, was sie darauf kontern sollte. Aber um Boshaftigkeiten war sie wahrhaftig nicht verlegen: »Weißt du das so genau?«
»Ich hoffe, du weißt es!«, gab Anke zurück, wobei sie gnadenlos bluffte. Sie wusste nämlich nicht, wie weit die Freundschaft zwischen Doris und Robert ging, aber sie wollte auf keinen Fall kampflos das Feld räumen. Als Doris mundtot weiterging, freute Anke sich. Sie hatte mit ihrem Bluff richtig gelegen. Zufrieden sattelte sie Rondo und führte ihn auf den Platz. Auf dem Weg dorthin kam ihr Robert entgegen. Als er Anke sah, hellte sich sein Gesicht so sehr auf, dass Ankes glaubte, sie träume. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
»Anke, ich wusste gar nicht, dass du am Stall bist. Ich wollte dich gerade anrufen und fragen, ob wir zusammen essen gehen?«
Ankes Gedanken gingen drunter und drüber. Sie erkannte, dass diese Einladung die ideale Gelegenheit war, endlich mit Robert zu sprechen. Aber Roberts undurchsichtiges Verhalten ließ sie daran zweifeln, ob das Gespräch ihr wirklich Klarheit verschaffen könnte. Was sie aber auf keinen Fall wollte, war, ihm bedingungslos nachzugeben. Also meinte sie: »Gern! Aber zuerst muss ich Rondo reiten, er ist heute noch nicht bewegt worden!«
»In Ordnung, ich schaue dir zu!«
Anke traute ihren Ohren nicht. Alles hörte sich wieder genauso an wie vor der Hausdurchsuchung.
Als sie auf den Platz ritt, sah sie Helmut Keller dort trainieren. Als er sie sah, parierte er sein Pferd durch zum Schritt und ritt neben sie.
»Was hast du inzwischen über den Mord an Peter Biehler herausgefunden?«, fragte er.
»Leider noch nichts. Wir ersticken in Arbeit; deshalb kommen wir nur schleppend voran!«
»Du meinst, die Polizistenmorde?«
»Ja, genau«, nickte Anke.
»Gehört der Mord an Peter Biehler auch zu diesen Polizistenmorden?«
Anke wunderte sich darüber, warum Helmut Keller so genau fragte. Bisher hatte unter den Reiterkollegen noch niemand einen Zusammenhang hergestellt, alle hatten sich nur für den Stand der Ermittlungen im Fall Biehler interessiert. Erst als sie Helmut Kellers prüfenden Blick bemerkte, erkannte sie, dass sie schon wieder begann, wie eine Polizistin zu denken. Rasch besann sie sich und nickte als Antwort, womit Helmut Keller dann auch zufrieden war.
Zuversichtlich ritt sie den Wallach und freute sich über die Korrekturen, die Robert ihr gelegentlich zurief. Daran erkannte sie, dass er ihr seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Diese Reitstunde baute sie richtig auf.
Hinterher gab sie Rondo seine Futterration und verließ die Box, denn nun hatte Rondo nur noch Fressen im Kopf.
Ganz ruhig war es inzwischen im Stall geworden. Die Kinder waren schon lange nach Hause gefahren, einige Reiter saßen noch auf der Terrasse der Reiterklause und tranken dort zum Abschluss des Tages ein kühles Bier.
Anke und Robert beschlossen, zu dem Lokal Zur Tabaksmühle am Tabaksweiher in St. Arnual zu fahren, um sich dort ein Plätzchen im Freien zu suchen. Die angenehmen Temperaturen luden dazu ein, auf der gemütlichen Terrasse mit Blick zum Weiher, der von Bäumen eingerahmt wurde, die Stille und die Natur zu erleben. Im Licht der untergehenden Sonne, das sich im Wasser spiegelte, gab Anke sich gern dem trügerischen Gefühl hin, das Leben sei völlig einfach. Genau das brauchte Anke jetzt und wollte es zusammen mit Robert genießen.
Arm in Arm schlenderten sie auf die Terrasse zu und suchten unter den vielen Menschen, die wohl die gleiche Idee für diesen Abend gehabt hatten, einen Platz. Sie hatten Glück, ein Tisch war frei.
Lange schwiegen die beiden. Sie genossen das leise Murmeln der anderen Gäste, das die Stille durchbrach, bis Robert sagte: »Ich habe das komische Gefühl, dass diese Hausdurchsuchung zwischen uns steht!«
Anke schaute Robert an, doch bevor sie protestierte, überlegte sie. Sie musste ehrlich zu sich selbst bleiben, weil er damit nicht Unrecht
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