Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
durchlebte
erneut die Demonstration, bei der ich einige Jahre zuvor festgenommen
worden war; ich blickte voller Entsetzen auf eine Wand aus
flirrendem, sonnenbeschienenem Betäubungsgas und sah eine Reihe
von Polizeireittieren daraus auftauchen, die irgendwie noch
abscheulicher waren als Panzerwagen oder richtige Panzer, nicht wegen
der Reiter mit den Visieren und ihren langen Schlagknüppeln,
sondern weil die großen Tiere ebenfalls gepanzert und mit
Gasmasken ausgestattet waren; Ungeheuer aus einem Massenwaren-Traum
von der Stange; quälend.
So fand mich Maust einige Stunden später, als er heimkam. Im
Club war eine Razzia durchgeführt worden, und man hatte ihm
nicht erlaubt, mit mir Verbindung aufzunehmen. Er hielt mich in den
Armen, während ich weinte, und wiegte mich mit tröstenden
Worten wieder in Schlaf.
»Wrobik, ich kann nicht. Risåret bringt in der
nächsten Saison eine heiße Show heraus, und er sucht neue
Gesichter; das wird ein Riesenrenner, der unheimlich einschlägt.
Eine Sache, die in der Oberstadt ankommt. Ich kann jetzt nicht weg;
ich habe den Fuß bereits in der Tür. Bitte versteh
das.« Er streckte den Arm über den Tisch und ergriff meine
Hand. Ich entzog sie ihm.
»Ich kann das nicht machen, was sie von mir verlangen. Ich
kann nicht bleiben. Also muß ich verschwinden, es bleibt mir
nichts anderes übrig.« Meine Stimme klang belegt. Maust
machte sich daran, die Teller und Essensbehälter
abzuräumen, und schüttelte dabei den langen, anmutigen
Kopf. Ich hatte nicht viel gegessen; zum Teil wegen meines Katers,
zum Teil wegen des Zustands meiner Nerven. Es war ein schwüler,
drückender Spätmorgen; die Klimaanlage des Mietshauses war
wieder mal kaputt.
»Verlangen sie wirklich etwas so Schreckliches?« Maust
zog den Morgenrock enger um seinen Körper und balancierte das
Geschirr fachmännisch auf den Händen. Ich betrachtete
seinen schlanken Rücken, während er in die Küche ging.
»Ich meine, du willst es mir nicht einmal sagen. Vertraust du
mir nicht?« Seine Stimme hallte nach.
Was hätte ich sagen sollen? Daß ich nicht wußte,
ob ich ihm traute? Daß ich ihn liebte, aber: nur er hatte
gewußt, daß ich ein Fremdweltler war. Das war mein
Geheimnis gewesen, und nur ihm allein hatte ich es verraten. Wieso
wußten also Kaddus und Cruizell davon? Wie hatte es der
Leuchtende Pfad erfahren? Mein geschmeidiger, erotischer, treuloser
Tänzer. Hast du geglaubt, nur weil ich stets geschwiegen habe,
wüßte ich nichts von den vielen Malen, die du mich
betrogen hast?
»Maust, ich bitte dich; es ist besser, wenn du es nicht
weißt.«
»Aha.« Maust gab ein entferntes Lachen von sich; dieser
schmerzende, wunderschöne Klang, der an mir zerrte. »Wie
ungeheuer dramatisch! Du schützt mich. Wie schrecklich
galant!«
»Maust, die Sache ist ernst. Diese Leute wollen, daß
ich etwas tue, das ich einfach nicht tun kann. Wenn ich es nicht tue,
werden sie mich… Zumindest werden sie mir weh tun, sehr weh tun.
Ich weiß nicht, was sie machen werden. Vielleicht…
vielleicht verletzen sie mich sogar durch dich. Deshalb habe ich mir
solche Sorgen gemacht, als du zu spät kamst; ich dachte,
daß sie dich vielleicht entführt hätten.«
»Mein lieber, armer Wrobbie«, sagte Maust und schaute
aus der Küche herüber. »Es war ein langer Tag; ich
glaube, ich habe mir während der letzten Nummer einen Muskel
gezerrt, es kann sein, daß wir nach der Razzia auf unsere
Bezahlung verzichten müssen – bestimmt benutzt Stelmer
diesen Vorwand, auch wenn die Schweine die Einnahmen gar nicht
beschlagnahmt haben –, und mein Hintern ist immer noch wund,
weil eine der schwulen Säue mit dem Finger in mir
herumgestochert hat. Das ist nicht so romantisch wie deine
Geschäfte mit Verbrechern und Schurken, aber für mich ist
es wichtig. Ich habe genügend Sorgen. Deine Reaktion ist
übertrieben. Nimm eine Pille oder so was, und schlaf wieder;
danach wird alles nicht mehr so schlimm aussehen.« Er zwinkerte
mir zu und verschwand. Ich hörte, wie er in der Küche
herumhantierte. Eine Polizeisirene heulte über uns. Von der
unteren Wohnung klang gedämpft Musik herauf.
Ich ging zur Küchentür. Maust trocknete sich gerade die
Hände ab. »Sie wollen, daß ich auf das Raumschiff
schieße, das am Neunttag den Flottenadmiral
zurückbringt«, erklärte ich. Maust verzog im ersten
Moment keine Miene, dann kicherte er. Er kam zu mir und griff nach
meinen Schultern.
»Wirklich? Und dann? Sollst du an die Außenseite
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