Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
an,
Colonel. Das ist wie in einer Gewerkschaft. Wenn Sie einen davon
entlassen, sind Sie für alle anderen gestorben. Natürlich
könnten Sie irgendeinen Clown finden, der sich als Führer,
Mentor, Beschützer oder sonst etwas anbietet –
wahrscheinlich würden sie sogar Schlange stehen – aber das
wären sehr junge und dumme oder sehr alte und…
äh… exzentrische Dweller, die Sie eher in
Schwierigkeiten brächten als Ihnen aus solchen herauszuhelfen.
Außerdem würde die Gilde der Beschützer/Mentoren Sie
von Anfang an schikanieren, und die große Mehrheit der anderen
Dweller würde kein Wort mit Ihnen reden. Besonders die
Bibliothekare, Archivare, Antiquare, Exo-Spezialisten – kurzum,
all die Leute, auf die wir am dringendsten angewiesen sind –
würden Ihnen nicht einmal Guten Tag sagen.
    Sie machten Platz für Y’suls Diener Scholisch, der mit
einem zweiteiligen, auf Hochglanz polierten Spiegelharnisch aus dem
Nebenraum kam. Scholisch war ein schmächtiger
Halbwüchsiger, erst ein paar hundert Jahre alt, kaum zu drei
Vierteln ausgewachsen. Kammerdiener, die mindestens zwei
Generationsstufen jünger waren als ihre Herren, waren in der
Dweller-Gesellschaft durchaus keine Seltenheit, besonders, wenn sich
der ältere Dweller für einen Hobbyberuf entschieden hatte,
der ein Studium und/oder eine Ausbildung voraussetzte, so dass der
Diener eine faire Chance hatte, seinerseits die Anfangsgründe
des betreffenden Metiers zu erlernen. Die besseren Herren
betrachteten ihre Diener eher als Lehrlinge, und gelegentlich gab es
auch ganz besondere Exzentriker, die ihre Untergebenen fast wie
Gleichgestellte behandelten.
    Y’sul hatte sich gegen derart sentimentale Regungen bislang
erfolgreich gewehrt.
    »Das wurde ja auch Zeit, du Schleimwarze mit dem
Puddinghirn!«, brüllte er Scholisch an und entriss ihm den
Harnisch. »Du musstest den Panzer wohl erst schmieden oder
weben? Oder hast du dein Spiegelbild bewundert und alles andere
darüber vergessen?«
    Scholisch murmelte eine Entschuldigung und verzog sich.
    Ich weigere mich zu glauben, dass wir so machtlos sind, wie Sie
unterstellen, Major, erklärte der Colonel.
    Fassin sah die Oerileithe an. – Wir sind hier nur
geduldet, Colonel. Es kommt vor, dass die Dweller plötzlich ohne
erkennbaren Grund von einer ganzen Seher-Spezies genug haben. Niemand
konnte bisher hinter solchen Reaktionen ein System erkennen. Man
stellt nur plötzlich fest, dass man nicht mehr willkommen ist
und das auch für alle Artgenossen gilt. Solange die Dweller noch
dabei sind, eine eben erst zivilisierte Spezies kennen zu lernen,
passiert so etwas gewöhnlich nicht, aber auch darauf kann man
sich nicht verlassen. Auf jeden Fall kann sich der Einzelne ihre
Gunst verscherzen – das habe ich selbst schon erlebt – und
auch dafür gibt es meist keine Erklärung. Jedes Mal, wenn
ich hierher komme, muss ich darauf gefasst sein, dass man diesmal
für alle Zeiten nichts mehr mit mir zu tun haben will,
obwohl bei meinem letzten Besuch noch alle Welt freundlich und
hilfsbereit war. (Der Colonel lachte spöttisch.) Womöglich
gibt man mir einen Tag Zeit, um zu verschwinden, bevor man Jagd auf
mich macht. Jeder Trip – ob virtuell oder nicht – kann so
enden. Als Seher muss man sich daran gewöhnen. Die Dweller
brauchen einen gar nicht persönlich zu kennen; es ist schon
vorgekommen, dass Seherkandidaten, die Jahrzehnte lang ausgebildet
wurden und Jahrtausende alten, hoch geachteten Seher-Septen
angehörten, gleich bei ihrem allerersten Trip zu hören
bekamen, sie könnten sich die Mühe sparen, sie
bräuchten nicht wiederzukommen. Dass man Sie so ohne weiteres
akzeptiert, ist ein kleines Wunder. Und vergessen Sie nicht, Ysul hat
sich offiziell für Sie verbürgt. Nur deshalb werden Sie
nicht ständig wegen unbefugten Eindringens zur Rechenschaft
gezogen.
    - Das soll wohl heißen, wir werden diesen Komiker nicht
los.
    - So ist es. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber er
ist noch einer von den Besseren.
    - Dann helfe uns der Kern. Warum verschwenden wir unsere Zeit?
Ich werde sofort meinen posthumen Orden beantragen.
    Die Freiwillige Gilde der Beschützer/Mentoren hatte die
Aufgabe, jene Dweller zu betreuen, die von anderen Bändern des
gleichen Planeten oder, seltener, von einem anderen Gasplaneten
gewöhnlich innerhalb desselben Systems zu Besuch kamen. Dweller
reisten zwar – fast immer allein – auch von einem
Sternensystem zu einem anderen, aber das geschah nicht oft und
bedeutete

Weitere Kostenlose Bücher