Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Sie sich von den zahlreichen Vorurteilen nicht abschrecken. Es ist gar nicht so schwierig, wie man glaubt, sich von moderner oder zeitgenössischer Kunst anregen zu lassen und großes Vergnügen daraus zu ziehen. Dafür sollte man allerdings zunächst eine Frage vergessen, die viel zu oft kolportiert wird, nämlich: Was will uns der Künstler damit sagen?
Sicherlich, wenn man sich für einen Künstler ganz besonders interessiert, lohnt es, sich mit seiner Biografie und den Umständen zu beschäftigen, unter denen seine Werke entstanden sind. Außerdem lassen sich im Internet zusätzlich Interviewäußerungen oder Artikel von Kritikern finden, die bei der Interpretation helfen. So werden Sie vermutlich besser verstehen, warum Joseph Beuys (1921–1986) in vielen seiner Installationen mit Fett und Filz gearbeitet hat, wenn Sie wissen, dass er im Zweiten Weltkrieg mit einem Flugzeug auf derKrim abstürzte. Die Tataren, die den Schwerverletzten fanden, rieben ihn zum Schutz gegen die Kälte mit Talg ein und hüllten ihn in Filz. Die beiden Materialien symbolisierten seitdem für den Künstler Leben.
Wer seinen Blick bereits bei den Alten Meistern geschult hat, wird in der Modernen Kunst viele Anspielungen entdecken, zum Beispiel ähnliche Motive, Posen der Modelle, Bildausschnitte und Perspektiven. Dann wird schnell klar, dass der Künstler sein Werk in der Regel nicht »einfach so« macht, sondern damit zahlreiche Bezüge zur Kunstgeschichte herstellt.
Die viel wichtigere Frage lautet aber: Was sagt mir das Kunstwerk? Der persönliche Eindruck ist in der Kunst genauso viel wert wie die Intention des Künstlers selbst.
Bevor man bei besonders verstörenden Werken zu einem allzu schnellen Urteil gelangt, sollte man sich noch an einer zweiten Frage orientieren: Welche meiner Gewohnheiten und Erwartungen werden durch das Werk herausgefordert?
Diese beiden Fragen erschließen fast die gesamte Welt der modernen und zeitgenössischen Kunst. Den Künstlern heute geht es nämlich in erster Linie darum, die Betrachter dazu anzuregen, althergebrachte Denkmuster infrage zu stellen. Wie gut und hilfreich es ist, seine Denkweise zu überdenken, können Sie ganz einfach in Ihrem Alltag feststellen. Wenn Sie für ihre Strecke zur Arbeit nicht die üblichen Straßen und Gassen nehmen, sondern einen neuen Weg, entdecken Sie sehr wahrscheinlich reizvolle oder spannende Winkel in Ihrer Stadt, die Ihnen bislang entgangen waren. Genauso kann die Moderne Kunst zu neuen Sichtweisen und Erkenntnissen verhelfen.
Wir sollten uns hier ein Beispiel an den Kindern nehmen: Kinder sind gegenüber Moderner Kunst oft viel unbefangener als Erwachsene, weil sie ohnehin jeden Tag bislang Unbekanntes erfahren und ihr Geist noch nicht von so vielen Konventionen geprägt ist.
Unter diesem Aspekt fällt es auch gar nicht mehr so schwer, zwischen Trivialem und echter Kunst zu unterscheiden. Ein modernes Werk, das dem Betrachter nur bestätigt, was er ohnehin schon denkt und weiß, ist selten Kunst. Erst wenn Sie sich im ersten Augenblick vor den Kopf gestoßen fühlen, hat die Kunst ihr Ziel erreicht – nämlich Ihren Horizont zu erweitern.
Mit diesen Erkenntnissen wollen wir nun ein paar Schlüsselwerke der Modernen Kunst näher beleuchten.
Kasimir Malewitsch malt ein schwarzes Quadrat
Das Bild ist 79,2 mal 79,5 Zentimeter groß und gilt als Ikone der modernen Malerei. Ikone ist wörtlich gemeint. Der russische Maler Kasimir Malewitsch (1878–1935) stellte 1915 in St. Petersburg in einer Ausstellung mit dem Titel »0,10« 39 Bilder aus, auf denen nur geometrische Formen zu sehen waren. In einer Ecke des Raumes, knapp unterhalb der Decke, brachte er ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund an. An dieser Stelle befindet sich bis heute in vielen russischen Wohnstuben die Hausikone. Eine Provokation also. In mehreren theoretischen Abhandlungen, wie zum Beispiel in den beiden »Suprematistischen Manifesten« von 1915 und 1924, begründete Malewitsch seine als Suprematismus bezeichnete Idee gegenstandsloser Malerei. »Die Erscheinungen der gegenständlichen Natur an sich [sind] bedeutungslos; wesentlich ist die Empfindung als solche, ganz unabhängig von der Umgebung, in der sie hervorgerufen wurde«, formulierte Malewitsch 1927 in einer Schrift mit dem programmatischen Titel »Die gegenstandslose Welt«.
Natürlich hat ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund, das als Gemälde ausgegeben wird, zunächst etwas verstörendes (so empfanden es
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