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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Malewitschs Zeitgenossen). Umso mehr wollen wir uns die Frage stellen: Welche Sehgewohnheiten durchbricht der Künstler? Verweigert er sich nicht der Erwartung, dass wir auf Gemälden eine Abbildung der Wirklichkeit vorfinden? In Wahrheit sehen wir aber nur Formen, denen unser Gehirn eine Bedeutung beimisst, die wir als Abbildung interpretieren. In diesem Sinne ging Malewitsch noch einen entscheidenden Schritt weiter als der surrealistische Maler René Magritte (1898–1967). Dessen Gemälde »La trahison des images« (»Der Verrat der Bilder«) von 1929 zeigt eine Pfeife. Unter das Bild schrieb der Maler »Ceci n’est pas une pipe«, also: »Das ist keine Pfeife«. Was es in der Tat nicht ist – sondern nur deren Abbild. Malewitsch erklärte nun die Abbildung selbst für überflüssig, weil sie nur vom Empfinden ablenke. Deshalb ließ er ausschließlich Farben und geometrische Formen zu, denen er jeweils eine philosophische Idee zuschrieb.
    Marcel Duchamp stellt ein Pissoir aus
    Malewitschs französischer Kollege Marcel Duchamp (1887 bis 1968) ging einen anderen Weg. Für eine Ausstellung installierte er 1917 unter dem Titel »Fontain« – ein Urinal. Es handelte sich noch nicht einmal um ein besonderes, selbst gestaltetes Pissoir, sondern um ein Industrieprodukt, das er mit einem Pseudonym signiert hatte. Duchamp erklärte noch zahlreiche weitere Alltagsgegenstände, sogenannte Ready-mades, zu Kunst, wie zum Beispiel einen Flaschentrockner. Welche Gewohnheiten fordert Duchamp damit heraus? In erster Linie unser Verständnis von Kunst. Kunst ist für vieleMenschen etwas Erhabenes, Abgehobenes, Schönes (für Friedrich Schiller war sie die »Tochter der Freiheit«) – nicht zufällig sprechen wir von den »Schönen Künsten«. Duchamp wollte sie in den Alltag zurückholen. Nach seiner Auffassung ist Kunst, was der Künstler dazu erklärt. Die Leistung des Künstlers ist in seinen Augen nicht die Ausführung (die ihn zum Kunsthandwerker machen würde), sondern die Originalität der Idee, des Konzepts dahinter. Deshalb wird Duchamp zu den sogenannten Konzeptkünstlern gezählt.
    Die Provokation von 1917 gelang übrigens. Duchamp, der Mitglied der Ausstellungsjury war, wurde rausgeschmissen, und sein Urinal verschwand auf dem Müll (inzwischen finden sich in einigen Museen Reproduktionen).
    Jackson Pollock spritzt mit Farbe
    Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs experimentierte in New York, das damals gerade Paris als Zentrum der Kunst abgelöst hatte, der Maler Jackson Pollock (1912 bis 1956) mit einer Methode, die er »Action-Painting« nannte. Er legte eine Leinwand auf den Boden, tanzte darauf herum und verspritzte Öl und Farbe aus einer durchlöcherten Dose. Man sieht auf Pollocks Bildern, die als »abstrakter Expressionismus« bezeichnet werden, Wirbel, Kleckse und Farblabyrinthe. Ein Abbild spontaner Bewegung. Expressionismus bedeutet, dass der Künstler mit dem Werk seine Empfindungen ausdrücken will.
    Erneut die Frage: Welche unserer Erwartungen will der Künstler damit durchbrechen? Wir erwarten in der Regel, dass Bilder mit Farbe und Pinsel sorgfältig gemalt werden, dass der Künstler sich vorher genau überlegt, was er wie auf die Leinwand bringen möchte. Anders Pollock. Er sagte überseine Arbeit: »Wenn ich male, bin ich mir nicht bewusst, was ich tue. Erst nach einer Periode des ›Vertrautwerdens‹ sehe ich, was ich gemacht habe. […] das Gemälde hat ein Eigenleben. Nur wenn ich den Kontakt zum Bild verliere, ist das Ergebnis verpfuscht. Sonst ist es reine Harmonie, leichtes Geben und Nehmen, und das Bild fällt gut aus.« Jacksons Action-Painting kann uns das Sehen neu lehren. Es will uns vermitteln: Das Empfinden des Künstlers drückt sich in einem Werk auch dann aus, wenn es nicht das Ergebnis eines planvollen Prozesses ist.
    Andy Warhol multipliziert Unfallbilder
    Andy Warhol (1928–1987), Sohn galizischer Einwanderer in die USA, griff in gewisser Weise die Ideen von Duchamp auf, entwickelte sie aber in eine andere Richtung weiter. Sicherlich kennen Sie seine Bilder von Marilyn Monroe und von Campbells Suppendosen. Es gibt aber auch Bilder von ihm, auf denen er das Zeitungsfoto eines Autounfalls auf der Leinwand vervielfachte. Was uns als Einzelmotiv schockiert, verliert durch die Multiplikation seinen Schrecken.
    Warhol hatte als Werbegrafiker begonnen, und diese Erfahrung setzte er in seiner späteren Karriere künstlerisch um – entgegen unserer gewohnten Wahrnehmung

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