Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
und weniger drastisch vonstatten.
Bei ägyptischen Statuen fallen vor allen Dingen drei typische Haltungen auf: zum Ersten die sitzende Figur mit steif nebeneinander postierten Unterschenkeln, die die Hände vor der Brust verschränkt hält – eine Andachtshaltung. Zum Zweiten der sitzende Schreiber. Und zum Dritten die sogenannte Standschreitfigur, von der eine eigentümliche Dynamik ausgeht. Den unentschiedenen Namen erhielt sie, weil den Kunsthistorikern nicht klar wurde: Steht oder geht die Person? Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann fand übrigens »beides!« und prägte in seinem Roman »Joseph und seine Brüder« die zungenbrecherische Formel »stehend im Gehen und im Stehen gehend«. Dieser Eindruck vermittelt sich, weil die altägyptischen Künstler das vorgestreckte Bein anatomisch inkorrekt verlängert haben. Die Figuren haben also zwei unterschiedlich lange Beine. Wenn Sie sich das einmal ansehen wollen, finden Sie im Ägyptischen Museum in Berlin reichlich Anschauungsmaterial.
Was die alten Griechen auf die Beine stellten
Mit dem Problem, wie man einen stehenden Menschen darstellt, schlugen sich die alten Griechen lange Zeit herum. Ihre frühen Statuen erinnern noch an die ägyptischen Standschreitfiguren. Bis sie einen Trick gefunden hatten: Das Gewicht wird auf ein Bein (das Standbein) verlagert, während das andere entlastet und leicht angewinkelt wird (das Spielbein). Das Becken rutscht dabei ein wenig aus der Senkrechten, die Hüfte aus der Waagerechten. So posieren auch heute noch Models, wenn sie besonders sexy aussehen wollen. Man nennt diese Haltung Kontrapost. Sie erst erlaubte, dass die Künstler sich nun ganz dem menschlichen Körper und seiner Anatomie zuwenden konnten. Die männlichen Jünglinge (Kouros) wurden dabei bevorzugt nackt dargestellt, damit ihre kraftvolle Muskulatur zum Vorschein kam. Ein Musterbeispiel für den Übergang zwischen alter Kunst und Klassik ist der Kritiosknabe der Athener Akropolis. Weibliche Figuren hüllten die Bildhauer in der Frühzeit in ein Gewand, später schufen sie die Göttin Aphrodite gern auch nackt.
Viele Körperhaltungen aus der griechischen Bildhauerkunst wurden in späteren Jahrhunderten kopiert, zum Beispiel der Diskuswerfer, der kraftvoll Schwung holt, und der Faun, der sich lasziv mit hinter dem Kopf verschränkten Armen und geöffneten Schenkeln auf einem Felsen oder Baumstumpf räkelt.
Die Römer waren von den bildhauerischen Werken der Griechen so begeistert, dass sie außer ihren Herrscherstandbildern nichts Neues hinzufügten. Außerdem kupferten sie hemmungslos von ihnen ab. Ein Glück für die Kunstgeschichte, denn viele griechische Statuen sind uns nur noch als römische Kopien erhalten. Das ist ungefähr so, als ob unsere Nachfahren von van Gogh nichts anderes zu sehen bekämen als die von fleißigen chinesischen Malern im Shenzhener Stadtteil Dafen im Auftrag von Einrichtungshäusern kopierten van Gogh’schen Sonnenblumen.
Die berühmteste römische Kopie eines griechischen Originals ist die Laokoon-Gruppe, eine Skulptur dreier Bildhaueraus Rhodos, die heute in den Vatikanischen Museen in Rom zu bewundern ist. Der bärtige Laokoon und seine zwei Söhne ringen verzweifelt mit Würgeschlangen – ein Todeskampf. Der Legende nach mussten die drei sterben, weil sie den Trojanern die hinterhältige List der Griechen mit dem Trojanischen Pferd verraten wollten.
Wer reitet da im Bamberger Dom?
In den Wirren der Völkerwanderung ging so manche künstlerische Fertigkeit verloren, auch in der Bildhauerei. Es ist nämlich gar nicht so einfach, eine frei stehende Statue zu schaffen, die nicht umkippt. Schon in der Antike hatten die Bildhauer Probleme mit der Statik. Der riesige »Koloss von Rhodos«, eines der sieben Weltwunder, brach bei einem Erdbeben an den Knien ein und fiel um. Die Trümmer lagen noch fast tausend Jahre in der Stadt herum. Waren die Skulpturen in Bronze gearbeitet, wie bei den Griechen üblich, ließen sie sich leichter stabilisieren. Römische Kopisten, die als Material Marmor bevorzugten, behalfen sich mit hinzugefügten Baumstümpfen und Köchern, die sie mit dem Standbein der Figur verbanden.
Im christlichen Frühmittelalter kämpfte man neben der Statik noch mit einem zweiten Problem. Es bestand nämlich die Gefahr, dass Statuen leicht zu Götzenbildnissen wurden (Idolatrie nennen das die Fachleute). Sie erinnern sich bestimmt an die Geschichte vom Goldenen Kalb, das die Israeliten umtanzten, als sich
Weitere Kostenlose Bücher