Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Moses vom Berge Sinai verspätete. Ein solches Risiko wollte man gar nicht erst eingehen, weshalb wir aus dem Frühmittelalter hauptsächlich wunderschöne Reliefs und Elfenbeinarbeiten, aber nur sehr wenige Stand- oder Reiterbilder kennen. Eines der schönsten Reliefsbefindet sich in Hildesheim. Die Bernwardstür des dortigen Doms vom Anfang des 11. Jahrhunderts hat der unbekannte Künstler mit eindringlich kargen Szenen der Heilsgeschichte geschmückt. Einen Besuch in Hildesheim sollte man allerdings am besten bis 2015 aufschieben, wenn die Restaurationsarbeiten an Kirche und Tür abgeschlossen sind.
In der Zwischenzeit lohnt sich ein Ausflug nach Bamberg, wo es eines der eindrucksvollsten Reiterstandbilder des deutschen Hochmittelalters zu bewundern gibt, den »Bamberger Reiter«. Diese überraschend kleine Figur stellt vermutlich einen Heiligen dar, vielleicht den heiliggesprochenen König Stephan von Ungarn. Dem unbekannten Künstler ist es gelungen, eine detailgenaue und lebensecht wirkende Skulptur zu schaffen. Eine Abbildung davon findet sich heute in vielen Geschichtsbüchern über das Mittelalter. Ausgerechnet den heiligen Ungarn haben übrigens die Nationalsozialisten später zum Symbol deutschen Edelrittertums stilisiert.
Ansonsten begegnet uns die Bildhauerkunst im Mittelalter vorwiegend in Form von Marienstatuen, Pietas und Heiligenfiguren an Domfassaden. Am Ende dieser Epoche, im Übergang von Gotik zu Renaissance, treffen wir auf zwei der bedeutendsten deutschen Bildhauer, auf Tilman Riemenschneider (1531–1479) und Veit Stoß (ca. 1447–1533). Wobei die nationale Zuordnung eine Sache für sich ist, denn Stoß arbeitete viele Jahre in Krakau und wird heute von den Polen als einer der ihren angesehen. Im Mittelalter hingegen haben sich die Menschen um nationale Zuordnungen nicht geschert. Im Werk Riemenschneiders fallen insbesondere die individuellen Gesichtszüge auf (im Gegensatz zu den idealisierten Gesichtern des Mittelalters), bei Veit Stoß die Dramatik der Szenen und die Spannung der Figuren, die sich aus der Starre mittelalterlicher Plastiken lösen. Die wichtigsten Werke der beiden sind übrigens Altäre – womit sie sich gewaltig von jenenKünstlern unterscheiden, die in Italien der Renaissance ihr eigentliches Gesicht gaben: Donatello und Michelangelo.
Zweimal David – die Höhepunkte der Renaissance
Die biblische Geschichte vom Knaben David, der den Riesen Goliath mit der Steinschleuder besiegt, gehört zu den beliebtesten Motiven der abendländischen Kunst. Die Florentiner mochten sie, weil sie sich mit David als Symbol ihrer Unbeirrbarkeit identifizierten. Allerdings ist fraglich, wie viel Identifikationspotenzial die lebensgroße Bronzefigur von Donatello (1386–1466) für die Bevölkerung hatte. Schließlich ist sie – nackt! Und seit der Antike hatte es kein Künstler mehr gewagt, eine Statue eines (bis auf Hut und Lederstiefel) unbekleideten Jünglings zu schaffen. Mit allen Merkmalen der alten griechischen Kunst: von Kontrapost über die knabenhafte Muskulatur bis hin zu der Tatsache, dass es sich um eine freistehende Vollplastik handelt. Donatellos sogenannter Florentiner Bronze-David besiegt nicht nur den Goliath, dessen abgeschlagener Kopf zu seinen Füßen liegt, er vertreibt auch das Mittelalter aus der Bildhauerkunst.
»Was der kann, kann ich schon lange«, mag sich Michelangelo Buonarroti , dem wir schon als Maler und Architekten begegnet sind, einige Jahrzehnte später gedacht haben. Nur größer! Aus einem einzigen Marmorblock schlug er innerhalb von drei Jahren seinen David. Und was für einen: Über vier Meter hoch wird der Riesenbezwinger selbst zum Riesen mit unnatürlich großen Händen und einem muskulösen Körper, dem man heute eine »Schwimmerfigur« attestieren würde. Michelangelo erwischt seinen David, eher Mann als Knabe, im Moment der Anspannung, als er die Steinschleuder gerade auf seine Schulter gelegt hat. Der Künstler betrieb übrigensder Genauigkeit wegen anatomische Studien an Leichen. Der David, der heute vor dem Palazzo Vecchio in Florenz steht, ist eine Kopie, das Original hat man 1873 zum Schutz vor der Witterung ins Museum (die Galleria dell’Accademia) gebracht.
Was verzückt die heilige Theresa?
Schnell geht die Reise weiter von der Hochrenaissance zum sinnenfreudigen Barock. Und von Florenz nach Rom. Dort begegnen wir in der Kirche Santa Maria della Vittoria einer Skulptur, der die Kunsthistoriker einige harmlos klingende Namen
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