Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
wohl seit eh und je. Wir wissen heute, wie die Musik von damals klang, weil die Menschen sie aufgezeichnet haben – und das war vor Erfindung der technischen Aufzeichnungsmedien nur in schriftlicher Form auf Papier möglich.
In den Klöstern und Kirchen des Mittelalters entstand der Wunsch, die Lieder, die in christlichen Gottesdiensten gesungen wurden, zu vereinheitlichen. Deswegen entwickelten die Mönche ein erstes, noch sehr einfaches System, um unabhängig von der persönlichen Erinnerung des Sängers eine Tonfolge nachvollziehbar zu machen. Aus diesen allerersten Notenschriften hat sich dann über Jahrhunderte hinweg eine immer perfektere Schreibweise entwickelt – bis hin zu den grauen Notenzetteln mit ihrem Liniensystem, den Notenschlüsseln, den Taktlinien und den Einzelnoten, die selbst jenen vom Anblick her bekannt sind, die gar keine Noten lesen können.
Bei der von den Mönchen aufgezeichneten Musik handelte es sich um liturgische, also gottesdienstliche Gesänge, die von Männerstimmen zumeist in großen Kirchenräumenmit viel Hall vorgetragen wurden: eine schier endlose Abfolge von feierlichen, getragenen Tönen. Man nennt diese Gesänge Gregorianische Choräle, weil sich ihre Sammlung auf einen Papst namens Gregor (590–604) bezieht. Zwei Dinge werden an dieser Stelle deutlich: Das wichtigste Musikinstrument des Menschen ist seine eigene Stimme. Und ein besonders wichtiger Ort für seine Musik ist der Gottesdienst, also der religiöse Kult. Geistliche Musik, wie diese religiösen Kompositionen genannt werden, wird heute auch gern im Konzertsaal vorgetragen, aber ihr eigentlicher Aufführungsort ist und bleibt die Kirche.
Die ältesten Gregorianischen Gesänge sind einstimmig: Es singt zwar ein Chor an Männern, die aber wiederum alle die gleiche Melodie, also wie mit einer Stimme singen. Im Verlauf des Mittelalters entwickelten die Kirchenmusiker etwas bahnbrechend Neues: Sie teilten den Chor in mehrere Stimmen auf, zum Beispiel in drei oder vier. Und diese Stimmen singen unterschiedliche Tonfolgen, die aber in ihrer Logik, in ihrer Harmonie aufeinander bezogen sind. Die Stimmen singen somit eigentlich getrennt voneinander und doch gemeinsam. Keine Stimme ist dabei wichtiger als die andere, entscheidend ist allein ihr Zusammenklang im einzelnen Augenblick. Diese Mehrstimmigkeit, die ein großes harmonisches Ganzes ergibt, ist eine Art von Musik, die das Hören der Menschen im Abendland tief geprägt hat und ihnen über die Jahrhunderte hinweg gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen ist. Der Fachbegriff dafür heißt Polyphonie.
Der nächste große Einschnitt in der Musikgeschichte ist die Epoche des Barock im späten 16. Jahrhundert. Zu dieser Zeit erstritten sich die weltlichen und geistlichen Herrscher Macht und Ansehen, und diese Macht wollten sie nach außen repräsentieren – in der Architektur, in der Kunst und in der Musik. Diese hatte nun nicht mehr nur in der Kirche ihrenPlatz, sondern auch bei Festlichkeiten, im Theater oder auf Empfängen. Und der Fürst mochte bei dieser Gelegenheit nicht nur Männerstimmen hören, sondern möglichst ein ganzes Ensemble.
Im Grunde traten nun in der Barockmusik die Instrumente an die Stelle der verschiedenen Männerstimmen. Natürlich verfeinerte sich im Laufe der Zeit das Prinzip der Mehrstimmigkeit und wurde immer vielschichtiger. Es ist also kein Zufall, dass uns die großen Orchesterwerke ebenso wie die Opern des Barock überaus festlich in den Ohren perlen und die Tonfolgen so filigran und ziseliert wirken. Die einzelnen Themen und Melodien, die wir heraushören, tauchen mal in dieser, mal in jener Stimme, mal bei diesem, mal bei jenem Instrument auf. Als mindestens ebenso wichtig wie die Themen erweist sich der Rhythmus der Barockmusik, der entweder gleichmäßig schnell, vorantreibend und tänzerisch ist oder langsam, wiegend und innig.
Mit der Barockmusik hatte sich ein breites Spektrum an musikalischen Möglichkeiten entwickelt. Allerdings wohnt dieser Art von Musik auch eine gewisse Formelhaftigkeit inne. Zwar drückt sie einerseits große Gefühle aus, wie Festlichkeit, Ruhe, Trauer, Freude. Andererseits wiederholen sich die Ausdrucksformen recht stark, und die Dynamik der Mehrstimmigkeit scheint auf kein bestimmtes Ziel, auf keinen musikalischen Höhepunkt zuzulaufen. Der Hörer gewinnt somit den Eindruck, das Stück könnte im Grunde endlos weitergehen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer entscheidenden
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