Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
kümmerte, wenn er mal
weg war?« Wiener starrte wieder Herrn Tannenberg an. Misstrauisch.
Dessen
Frau schien den Blick bemerkt zu haben. »Er ist ziemlich schwer. Allein kann ich
ihn nicht ins Bett hieven. Und seit diese Tiere da sind, möchte ich auch nicht,
dass er dort schläft. Es macht ihm aber gar nichts aus, im Sessel zu bleiben.
Kein Wort der Klage«, versicherte sie.
Der
Kommissar spürte, wie sich die Haare an den Armen senkrecht abstellten.
Rosenfeld
japste ihn auffordernd an, die Stimme der alten Frau hörte er nur noch von
fern.
»Frau
Tannenberg, haben Sie Verwandte, die mit dem Hund mal Gassi gehen könnten?«,
erkundigte er sich mit hohler Stimme, fuhr sich energisch über die Ärmel seines
Pullovers, als sei ihm kalt.
»Junger
Mann, ist Ihnen nicht gut?« Frau Tannenbergs Stimme klang ehrlich besorgt.
»Wenn Sie möchten, können Sie uns einen Tee kochen.« Sie sah ihm forschend ins
Gesicht. »Vielleicht finden Sie ja auch noch irgendwo Kekse.«
Eine
Fliege summte über den Tisch.
Rosenfeld
beäugte sie gierig, eine Jagd erschien ihm aber offensichtlich zu aufwändig.
»Und
diese Fliegenplage in diesem Jahr. Also, ich öffne ja immer nur kurz das
Fenster, aber es muss doch immer wieder einigen gelingen reinzukommen.
Wahrscheinlich wie vor ein paar Jahren in Kahren, irgendjemand hat mit Mist
gedüngt und die Viecher angelockt.«
»Mist?
Hier? Mitten in der Stadt?«
Michael
Wieners Augen klebten an dem schillernden Insekt.
Es
landete auf der prominenten Nasenspitze des Hausherrn.
Keine
Reaktion.
Wiener
starrte die Fliege an. Die brummte weiter und zog einen weiten Kreis um die
Lampe. Als suche sie intensiv nach einer Stelle auf dem Band, an der sie landen
könnte. Der Kommissar atmete auf – möglichst
flach allerdings. Entspannte sich etwas. Bis das Tier plötzlich verschwand.
Ist die
jetzt wirklich … ?, fragte sich der junge Ermittler entgeistert, … in seinen Mund?
Er
schoss aus dem Sessel hoch.
Rosenfeld
erschrak und versuchte ein heiseres Panikbellen.
Wiener
streckte Frau Tannenberg hektisch beide Hände entgegen, zerrte sie unsanft auf
die Beine.
»Lassen
Sie uns besser gehen!«
»Aber
wohin denn?«, reagierte die alte Dame ungehalten. »Ohne Strümpfe und in
Hausschuhen?«
»Sie
können hier nicht bleiben«, drängte Wiener und warf einen nervösen Blick auf
den Mann im Sessel gegenüber. Bewegten sich nicht die Augenlider?
Doch.
Wie ein
leichtes Flattern.
»Mein
Mann war schon immer so abweisend. Nehmen Sie das nicht persönlich. Zu mir ist
er auch so.«
Frau Tannenberg
trippelte von eiserner, unnachgiebiger Hand geschoben durch den Flur.
Es
schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Trio endlich die Wohnungstür erreichte.
Rosenfeld
keuchte bereits besorgniserregend.
»Das
ist doch lächerlich, ich will gar nicht ausgehen.«
Eine
weitere Unendlichkeit, bis die Treppe nach unten überwunden war.
»Haben
Sie auch wirklich abgeschlossen, junger Mann? Nicht dass der Kerl jetzt in
meine Wohnung auch noch einbricht. Sie wissen doch: Gelegenheit macht Diebe!«
Zielstrebig
bugsierte Wiener die sich sträubende Frau in Heiner Lombards Flur.
»Du
liebe Güte! Unangemeldeter Besuch. Das wird ihm aber gar nicht recht sein.«
Der
Kommissar dachte derweil nur noch an die dicke Fliege. Die war ganz bestimmt … Ihn
schauderte.
»Gibt es hier irgendwo einen
freien Stuhl?«
»Küche!«,
rief Peddersen von irgendwo. »Da sind wir fertig.«
Plötzlich
tauchte er neben dem Kommissar auf. »Du siehst aus, als hättest du eine
unheimliche Begegnung gehabt«, flachste er. »Die grünliche Färbung kenne ich
sonst gar nicht an dir! Steht dir nicht.«
»Hmhm«,
presste Wiener zwischen den Zähnen hervor.
»Wer
ist denn das?«
»Dies
ist Frau Tannenberg mit ihrem Hund Rosenfeld. Sie wohnt über Lombard. Kannst du
mir bitte mal den Arzt vom Dienst rufen?«
»Klar.
Ich sage ja, du siehst nicht gut aus. Aber vielleicht wäre es doch besser, du
gehst zu deinem Hausarzt.«
»Mach’s
einfach«, zischte er Peddersen an und wandte sich an die unfreiwillige
Besucherin. »So, Frau Tannenberg. Jetzt sehe ich mal nach, ob Herr Lombard auf
Gäste zum Tee eingerichtet ist. Vielleicht hat er auch noch irgendwo eine
Konserve für Rosenfeld.«
Dankbar
nickte sie ihm zu, während er Wasser aufsetzte und in den Schränken nach
Teebeuteln und etwas Essbarem stöberte.
Rosenfeld
verdrückte sich unter den Tisch. Wahrscheinlich der sicherste Platz für ihn,
der sich in fremder Umgebung nur
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