Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
ihr
plötzlich durch den Kopf. Sogar abgeschlossen hatte er, als er ging. Ob Norbert
vielleicht gekommen war? Ach was, rückte sie die Albträume wieder in die
finstere Ecke ihres Denkens zurück, aus der sie hervorgekrochen waren. Norbert
hatte hoffentlich nicht die Absicht, zu ihr zurückzukehren. Der lebte in einer
vollständig anderen Welt.
»Ich
kann nicht einmal die Polizei verständigen. Über einen gefühlten Einbruch
lachen die doch bloß. Wenn ich denen erkläre, dass ich das Kissen auf der Couch
nie so ordne, das Kissen in meinem Bett nie steht, sondern liegt, mein
Bademantel an einem anderen Haken hängt und mein Kater verschwunden ist, lassen
die mich gleich in die Psychiatrie einweisen. Simplicissimus, wo bist du nur?«
Der
Kater meldete sich nicht. Konnte er auch nicht. Nie mehr.
»Was haben wir?«, stellte
Nachtigall die übliche Frage, als er mit Michael Wiener im Büro saß.
»Einen
Mordversuch, einen Mord, einen Toten im Wohnhaus«, begann der junge Mann
unglücklich aufzuzählen.
»Im
Grab des Vaters wird der Sohn auf dessen Sarg gefunden. Erdrosselt. Ein Suizid
ist ohne eine zusätzliche Vorrichtung nicht möglich – wahrscheinlich also Mord.« Nachtigall schlug einen energischen Ton an. Michael
sollte begreifen, dass ihr Fall erst bei Lombard begann – den
anderen hatten Kollegen übernommen.
»Die
Morddrohungen, die uns in den Ort geholt haben, richteten sich aber nicht gegen
das Opfer«, meinte Wiener. »Und den Totengräbern ist nichts passiert.«
»Auf
jeden Fall kann Lombard unmöglich allein an den Fundort gelangt sein – nicht?
Er war tot. Das Vergraben muss jemand anderer übernommen haben. Peddersens Team
wird nach Spuren suchen – Schuheindruckspuren. Aber nach zwei Wochen … Nun,
ich denke, die Chancen stehen eher schlecht, dass wir noch etwas finden.
Schließlich wird an Gräbern dauernd geharkt, gepflanzt, gegossen.
Wahrscheinlich hat man den Leichnam nicht über eine größere Strecke zu Fuß
transportiert. Zu auffällig. Möglicherweise war ein Fahrzeug im Spiel.«
»Du
meinst, der Täter lädt Opfer und Spaten aus, hievt den Körper über den Zaun,
klettert mit dem Spaten hinterher?«
»Eine
Möglichkeit. Eine andere wäre: Die beiden verabreden sich am Grab des Vaters.
Als Lombard kommt, lauert der andere schon. Er springt hervor, erdrosselt sein
Opfer und beerdigt es.«
»So
würde er sich jedenfalls den Transport ersparen. Nachts ist auf dem Friedhof
sicher nichts los. Aber ein gewisses Risiko besteht schon, entdeckt zu werden.
Stell dir vor, es kommt einer vorbei. Der sieht ja dann sofort, dass jemand das
Grab von John geschändet hat.«
»Wir
müssen mal kontrollieren, wie dunkel es dort ist. Stockdunkel? Vollmond,
Neumond? Gut, schreib das doch bitte auf.«
Wiener
notierte eifrig.
»Im
Fundortbericht steht, dass Schuhe des Opfers tiefer im Grab gefunden wurden.
Zwischen Sarg und Wand. Strümpfe trug er vielleicht gar nicht.« Wiener
blätterte in einem Stapel Papier. »Und im Bericht über die Wohnung steht, dass
die aus dem Adressbuch entfernten Seiten nicht sichergestellt werden konnten.
Im Keller sammelte Lombard Zeitungen und Werbematerial, aber auch dort waren
die Blätter nicht. Entweder doch im Hausmüll entsorgt oder der Täter hat sie
mitgenommen.«
»Und
Ticket? Hotelreservierung? Post vom Reisebüro?«, wollte der Hauptkommissar
wissen.
»Nein.
Nichts. Sie haben alles umgekrempelt.«
»Was
wissen wir bisher über das Opfer?«, fuhr Nachtigall fort.
»Ein
stiller, unauffälliger Mann. Nach Aussage der Mutter schwierig.«
»Ohne
Freunde, ohne Kontakte. Warum bringt man den um?«
»Um
Geld kann es nicht gegangen sein. Die Wohnung war spartanisch eingerichtet,
nichts von Wert zu sehen. Als wir seine Mutter telefonisch über den Einbruch
informierten, meinte sie ja auch, ihr Sohn habe nicht einmal ein Sparbuch
besessen.«
»Das
müssen wir überprüfen.«
»Mir
kam es so vor, als sei das Leben dieses Mannes vollkommen freudlos gewesen.
Deprimierend.«
»Aber
wir wissen, dass er sich – zumindest gelegentlich – um die
Tannenbergs gekümmert hat. Könnte doch sein, dass Frau Tannenberg uns mehr über
Heiner erzählen kann als seine Mutter. Finde bitte raus, wo man sie
untergebracht hat.«
Wiener
nickte bedrückt.
»Sie
wird kaum in der Stimmung sein, mit uns über Lombard zu sprechen. Sie hat
gerade erfahren, dass ihr Mann gestorben ist«, erinnerte er Nachtigall. »Ich
hoffe, man hat ihr den Hund gelassen, ist ja jetzt ihre einzige
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