Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
langen Blick.
Zorn
wehte über den Tisch.
Silke
Dreier konnte physisch spüren, wie die Wut anflutete. Fühlte auch die
Verachtung, die unterschwellig mitschwang. Ruhig Blut, ermahnte sie sich, die
beiden stehen unter Stress, im Grunde wissen sie genau, dass du diese Fragen
stellen musst, dass sie nicht bedeuten, sie würden verantwortlich dafür
gemacht, dass in ihre Wohnung eingebrochen wurde.
»Am
Ende werden Sie noch versuchen uns nachzuweisen, wir seien zurückgekommen und
hätten das Blutbad selbst angerichtet, jemanden auf das Brutalste
niedergemetzelt!«
Nicht
provozieren lassen, riet sich die junge Beamtin.
»Haben
Sie tagsüber Ihren Schlüsselbund immer bei sich?«, erkundigte sie sich statt
einer konkreten Antwort.
»Nein.
Natürlich nicht«, antworteten die beiden synchron.
»Sie
sind beide berufstätig?«
»Ja!«,
diesmal war der Strafverteidiger schneller. »Wenn ich im Büro bin, liegt der
Bund in meiner Schreibtischschublade. Da hat nur meine Sekretärin Zugang – und
die war den ganzen Morgen bei mir. Wir haben zusammen auf die Nachricht im
Radio gewartet, dass die Bombe entschärft werden konnte und die Mieter
zurückkehren dürfen.«
»Und
ich arbeite in einer Bar. Morgens ist Training.« Frau Ahrendt verzog ihre
roten, sinnlichen Lippen zu einem geringschätzigen Grinsen. »Mein Kostüm ist
wenig geeignet, einen Schlüsselbund darin unterzubringen. Meine Tasche steht in
dieser Zeit in der Umkleidekabine und die ist abgeschlossen.«
Wieder
lastendes Schweigen.
»Außerdem – selbst
wenn eine meiner Kolleginnen den Schlüssel … Dann
hätte sie einen Nachschlüssel anfertigen lassen müssen. Und das geht gar nicht!
Das muss der Vermieter extra genehmigen«, setzte die selbstbewusste Frau
triumphierend hinzu.
»Jede Menge Arbeit auf dem Tisch«,
maulte Wiener. »Drei Morde innerhalb kurzer Zeit. Mann!«
»Und
wir wissen nicht einmal, ob die Morde miteinander in Verbindung stehen«,
knurrte Nachtigall und fuhr sich über die Stirn.
»Wirkt
das Medikament von Dr. Pankratz nicht?«
»Doch,
doch. Aber eine Gehirnerschütterung lässt sich wohl nicht von gepresstem weißem
Pulver beeindrucken. Ist nicht mehr so schlimm wie heute Morgen – aber
eben unangenehm.«
»Immerhin
haben wir jetzt den Wagen, der dich abgedrängt hat. Bestimmt kriegen wir den
Kerl schnell.«
»Der
Kerl – der hat einen Torso auf dem Fahrersitz verbrannt. Willst du mich
glauben machen, er hätte den zufällig irgendwo gefunden und, weil das Auto
sowieso verschwinden musste, hat er das freundlicherweise alles in einem
Aufwasch erledigen wollen. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, wer den Torso
verursacht hat?«, fragte Nachtigall sarkastisch.
»Klingt
nicht so sehr logisch«, räumte Wiener ein. »Du meinst, der Torso geht auch auf
sein Konto, ebenso wie der Mordversuch an dir?«
»Ja.«
»Heiner
Lombard wurde erdrosselt, sein Vater erschossen. Wie derjenige wirklich
gestorben ist, dessen Torso wir gefunden haben, wissen wir noch gar nicht
genau. Drei Opfer, drei Todesursachen, drei Täter?«
Nachtigall
zuckte mit den Schultern. »Eher unwahrscheinlich.«
»Wir
können auch einen innerfamiliären Grund nicht ausschließen. Frau John war es
leid, diesen Mann ertragen zu müssen – und in
eine neue Zukunft an einem anderen Ort wollte sie ihn auf gar keinen Fall
mitnehmen. Heiner hat das herausgefunden. Sie hat ihn getötet, damit niemand
die andere Straftat aufdecken kann. Es klang ja nicht so, als habe sie sehr an
ihm gehangen. Die ganze Geschichte vom Alkohol, die in der Nachbarschaft
erzählt wird, soll uns vom wahren Motiv ablenken.«
»Schon
richtig. Und sie hätte sich natürlich auch ganz unauffällig in ihrem eigenen
Garten aufhalten können. John kommt betrunken nach Hause, sie passt ihn ab,
erschießt ihn und inszeniert das Ganze so, dass der Arzt an einen Alkoholtod
glauben muss. Vielleicht hat Lombard bemerkt, dass die ganze Geschichte so
nicht stimmte und reimte sich den Rest zusammen.«
»Denkbar
wäre auch eine andere Variante. Vater und Sohn waren womöglich gemeinsam in
irgendetwas verstrickt. Erst wurde der Vater getötet, dann der Sohn. Der Täter
durchwühlte die Wohnung nach einem Ding oder Dokument, das er schon beim Vater
nicht finden konnte.«
»Ist
eine Option. Wissen wir denn von einem Einbruch bei den Johns?«
Wiener
wendete den Wagen und fuhr zurück nach Brieskowitz.
Als auf ihr drittes Klingeln
niemand öffnete und die Nachbarin wieder am Zaun auftauchte, kam es
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