Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
den beiden
Mordermittlern vor wie ein Déjà vu.
»Sie
ist in der Wanne! Da macht sie nicht auf. Oder würde es Ihnen Spaß machen,
patschnass durchs Haus zu stapfen, nur um irgendeinem dahergelaufenen Subjekt
zu öffnen?« Sie bemerkte ihren Fehler nur Sekundenbruchteile später, schlug
sich beide Hände vor den Mund und keckerte unmelodisch. »Sie wissen schon, wie
ich das meine. Drückerkolonnen kommen regelmäßig hier durch. Und am Klingeln
kann sie ja nun wirklich nicht hören, dass die Polizei den Finger auf dem Knopf
hat, nicht wahr?«, rettete sie sich mit sprachlichem Schwung auf sicheres
Terrain.
Wiener
beschloss, die entstandene Situation zu nutzen. Diese Frau erzählte gern, warum
ihr nicht eine Plattform bieten?
»Wissen
Sie, ob bei den Johns vor einiger Zeit eingebrochen wurde?«, fragte er deshalb
möglichst beiläufig.
Die
Nachbarin überlegte. Lange.
»Ich
denke mal, Ihnen sollte ich wohl davon erzählen. Auch wenn Tillmann damals die
ganze Angelegenheit runtergespielt hat. ›Ist ja nichts weggekommen‹, hat er
gesagt. ›Da interessiert sich die Polizei nicht für.‹ Und ich solle die Sache
nicht unnötig rumtratschen, als ob ich ein altes Klatschweib wäre, also
wirklich! Er hatte Angst, es könne sonst jemand auf die Idee kommen, es sei
tatsächlich was zu holen bei den Johns, das wollte er natürlich verhindern.
Hedwig war sowieso total durch den Wind nach dem Einbruch. Und warum? Wegen
dieses dicken Viehs! Immerzu hat sie gejammert, wie schrecklich das gewesen
wäre, wenn der Kater nun völlig verstört weggelaufen und nicht mehr
zurückgekommen wäre. So ein albernes Theater! Als ob der je mal nicht gekommen
wäre! Der trottete jeden Abend nach Hause. Schon wegen Kost und Logis!«
»Aber
der Kater ist nun ebenfalls tot.«
»Ja. An
Übergewicht krepiert. Hedwig glaubte natürlich an einen Giftanschlag.
Betäubungsmittel.«
»Sie
verdächtigt jemanden aus dem Dorf?«
Die
Miene der Frau wurde abweisend.
»Das
mag schon sein. Aber außer ihr glaubt das keiner. Die Leute im Dorf denken,
wenn überhaupt jemand seine Finger im Spiel hatte, dann wurde der Kater
gekillt, um Hedwig weichzukochen – wie
uns alle. Wir sollen abgebaggert, von der Landkarte radiert werden – gegen
unseren Willen!«
Während Michael Wiener die
neugierige Nachbarin zu ihrer Haustür begleitete, schellte Nachtigall
versuchsweise ein weiteres Mal. Irgendwann muss sie ja aus der Wanne steigen,
dachte er dabei fast ein bisschen neidisch. Er hätte sich auch ganz gern ein
wenig Auszeit von dieser Woche gegönnt.
Zu
seiner Überraschung öffnete Frau John diesmal.
»Sie
schon wieder?« Ihre Tonlage schwankte zwischen Erstaunen und Entrüstung.
»Ja.
Und es tut mir auch wirklich leid. Natürlich kann ich mir vorstellen, wie viel
lieber es Ihnen wäre, in Ruhe gelassen zu werden. Aber die Polizei hat immer
noch ein paar Fragen.« Er lächelte schuldbewusst.
Hedwig
John seufzte.
»Ich
kann Ihnen nicht mehr über Heiner erzählen. Warum er gekündigt hat, weiß ich
wirklich nicht. Er wollte offensichtlich nicht darüber sprechen und ich bin
nicht die Art Mutter, die in einem solchen Fall unerbittlich nachbohrt.« Sie
öffnete dennoch die Tür, ließ den Hauptkommissar und seinen Kollegen, der nach
seinem Spurt vom Nachbargrundstück atemlos die beiden erreichte, eintreten.
Diesmal
bot sie den Besuchern einen Platz in der Küche an. »Morgen ist ein Aufmarsch
vor dem Hauptgebäude des Energieriesen geplant. Jemand muss in der Zwischenzeit
die Kinder betreuen. Ich habe angeboten, das zu übernehmen. Jetzt backe ich
schnell ein paar süße Plätzchen.«
»Ich
hatte Sie so verstanden, dass Sie das Haus verkauft hätten.« Wiener griff nach
seinem Notizblock und strich eine Zeile kraftvoll durch.
»Oh,
das haben wir ja auch. Und natürlich sind die Leute mir im Grunde böse.
Darunter sollen aber die Kinder nicht leiden.« Frau John sah von einem zum
anderen, setzte dann leiser hinzu: »Verquere Dorflogik. Wenn alle gegen das
Abbaggern sind und deshalb zur Demo gehen – wer
bleibt dann im Dorf, um die Kinder zu beaufsichtigen? Die, die längst verkauft
haben. Pragmatisch, einfach, gut. Kaffee?«
Ohne
eine Antwort abzuwarten, begann sie mit den notwendigen Utensilien zu
hantieren.
»Frau
John, Ihr Mann ist vor wenigen Monaten gestorben.«
»Ja,
das stimmt.«
»Wer
hat ihn gefunden?«
»Ich.
Außer mir wohnt hier niemand mehr. Warum?«
Nachtigall
ignorierte ihre Gegenfrage. »Erzählen Sie mir
Weitere Kostenlose Bücher