Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)

Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)

Titel: Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
Vom Netzwerk:
erste Tür links.«
    Im Flur
drehte Nachtigall sich noch einmal zu Frau John um. »Wohin werden Sie ziehen,
wenn der Bagger kommt?«
    »Ach
ja, ich werde einfach mit den anderen gehen. Meine Kinder leben wie Sie wissen
nicht in Deutschland, haben ihre eigenen Familien, eigene Sorgen. Da störe ich
doch bloß. Zu Heiners Beerdigung werden sie wohl kommen und danach sofort
wieder verschwinden. Ich will nicht im Ausland sterben. Außerdem müssen immer
ein paar in der Nähe wohnen bleiben – schon,
um die Gräber zu pflegen. Wir können doch nicht zulassen, dass sie uns die
Zukunft und die Vergangenheit rauben, oder?«
     
    Der Raum war winzig.
    Er bot
gerade genug Platz für ein Bett, auf der gegenüberliegenden Seite einen Schrank
und einen kleinen Tisch direkt unter dem Fenster.
    »Hier
sieht es ganz anders aus als in seiner Wohnung.«
    »Hier
hat er ja nicht gelebt. Und es gibt jemanden, der gründlich aufräumt. Sieh mal,
das Bett ist abgezogen. Frau John rechnete also nicht damit, dass er zu Besuch
kommen könnte, um länger zu bleiben.«
    »Ein
Sammlertyp war er jedenfalls nicht«, meinte Wiener. »In meinem alten Zimmer
steht noch meine Steinesammlung. Und meine ganzen Matchboxautos habe ich auch
aufgehoben.«
    Nachtigall
zog die Schranktür auf.
    Leere
Einlegeböden, keine Bügel auf der Stange.
    In der
Ecke wartete ein kleiner bunter Pappkarton darauf, dass jemand die in ihm
verborgenen Schätze entdeckte.
    Nachtigall
warf seinem Gipsarm einen wütenden Blick zu.
    »Michael!
Sieh mal.«
    Wiener
bückte sich, hob die Schachtel auf den kleinen Tisch und öffnete den Deckel.
    Pfiff
durch die Zähne.
    »Da
wird uns Herr Matern einiges zu erzählen haben«, brauste Nachtigall auf. »Ist
ja unglaublich!«
     
    Wiener legte einen Brief neben
den anderen auf die Matratze.
    »Zeitungsbuchstaben!
Wie originell!«
    »Du
liebe Zeit: ›Du Verräter! Das bricht dir den Hals‹, ›Du Widerling, der Tod weiß
schon, wo er dich finden kann!‹ Besonders einfallsreich ist das auch nicht.«
    »Tillmann
John, der sich zuerst vehement gegen den Abbaggerungsplan zur Wehr setzte,
schwenkte um und verkaufte sein Haus. Auch wenn Heiner zunächst gegen den
Verkauf war, wird er den Plan am Ende doch unterstützt haben. Schon in der
Hoffnung, dass er am Geldsegen beteiligt wird. Hinter dem Rücken der Jobagentur
natürlich.«
    »John
wurde erschossen. Direkt vor seiner Haustür. Heiner lag erdrosselt auf seinem
Sarg – Matern kommt nicht dafür in Frage. Wir enden immer am selben
Punkt. Kam der Mörder von hier, wusste er von der Umfriedung.«
    »Seit
wann steht eigentlich fest, dass dieses Dorf abgebaggert wird?«, fragte
Nachtigall nachdenklich. »Und wer organisiert die Proteste gegen den
Friedhofsumzug?«
    »Du
meinst, Matern hat vielleicht einen Organisator?«
    »Wäre
doch denkbar. So einen Widerstand zu formieren und am Laufen zu halten, fordert
viel Kraft.«
     
    »Das macht Matern«, antwortete
Frau John auf die Frage nach dem Organisator der Proteste. »Schon seit die
Pläne bekannt wurden. Vor Jahren schon. Nach dem Verkauf des ersten Hauses kam
es zu einer regelrechten Hetzjagd. Die Hauswände wurden besprüht. ›Verräter
verschwindet‹ stand dort, im Dorf bediente man die Leute nicht mehr. Eines
Nachts drang der Mob auf das Grundstück vor und Steine flogen durch die
Fenster, den Garten zerstörte man mit einer Motorsäge. Natürlich wurde die
Polizei alarmiert, doch die Kerle waren weg, bevor jemand sehen konnte, wer
alles beteiligt war. Ein echtes Verbrechen.«
    »Verbrechen?«
    »Ja,
natürlich. Das war die erste Nacht des Sündenfalls. Der Mann, der als Erster
sein Haus verkaufte, starb damals, als der Mob das Haus angriff. Herzinfarkt.
Seine Witwe zog wenig später weg.« Frau John dachte kurz nach. »Wenn ich mich
richtig erinnere, wurde sie kurze Zeit später ermordet. In Frauendorf.«
    Peter
Nachtigall atmete tief durch. An den Fall konnte er sich noch gut erinnern.
    »Nach
dem Tod des Verräters traute sich wohl niemand mehr zu verkaufen«, mutmaßte
Wiener.
    »Natürlich
hing die Schuld wie eine Pestwolke über dem Ort. Wirkte lähmend. Die einen
hatten Angst zu verkaufen, weil sie den Mob fürchteten, die anderen wollten
nicht, weil sie sich dann erst recht wie Schweine vorgekommen wären. Doppelter
Verrat sozusagen. Der Tod des Ersten hätte ja dann wirklich jedes Restchen Sinn
verloren, falls es überhaupt je einen gegeben haben sollte. Doch nach ein paar
Wochen legte sich der Schock, rieselte wie Staub

Weitere Kostenlose Bücher